Können animatronische Murmeltiere einen langen Winter voraussagen?

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Auf der ganzen Welt gibt es nur zwei Leute, die nur an einem einzigen Tag im Jahr früh morgens aufstehen, sich fertig machen und zur Arbeit gehen müssen: den Weihnachtsmann – und „Phil“. An jedem zweiten Februar, zu Lichtmess, wird das wohl berühmteste Waldmurmeltier von den Einwohnern des kleinen Städtchens Punxsutawney geweckt und zum Appell gebeten, um sein Statement zum Fortdauern des Winters abzugeben. Seit dem 2. Februar 1887 findet dieses Schauspiel schon statt, ausgehend von einer Beobachtung, die ein ansässiger Ladenbesitzer rund vierzig Jahre zuvor gemacht hatte. James Morris schrieb seinerzeit in sein Tagebuch:

Letzten Dienstag, den 2. Februar, war Lichtmess, der Tag, wo das Waldmurmeltier verstohlen aus seinem Winterquartier hervorlugt. Wenn es seinen Schatten sieht, verschwindet es in seiner Höhle wieder für die nächsten sechs Wochen um zu schlafen. Doch ist der Tag bewölkt, bleibt es draußen, da das Wetter gemäßigt sein wird.

Und so ist es bis heute geblieben. In den vergangenen 119 Jahren sah Phil 96 Mal seinen Schatten – ziemlich lange Winter sind damit vorprogrammiert. Die letzte Ausnahme bildete 2008, als er schattenlos unter einer dichten Wolkendecke umherkrabbelte. Laut den Organisatoren des Groundhog-Day legt Phil mit seinen Prognosen eine mindestens 90-prozentige Akkuratesse an den Tag – lediglich die Meteorologen widersprechen und sagen, dass seine Vorhersagen allein in rund 37 Prozent aller Fälle auch zutreffen. Diese Besserwisser!

Heute war es also wieder soweit. Phil wurde geweckt und um Rat befragt und nach einer kurzen Besprechung stand das Ergebnis fest: In 2010 wird der Winter noch einmal sechs Wochen dranhängen. Die Associated Press war vor Ort und hat das Videomaterial:

Murmeltiere sind ganz putzige Wesen, im Schnitt werden sie bis zu vier Kilo schwer, können aber Höhlen bauen, für die sie mit ihren Pfoten bis zu 320 Kilo Erdmasse ausheben. Anders als das bei uns heimische Alpenmurmeltier, bei dem noch Familienzugehörigkeit angesagt ist, ist das Waldmurmeltier ein Einzelgänger. Dennoch begrüßen sie sich untereinander wie alle Arten der Murmeltiere: Sie reiben die Nasen aneinander und stecken die Köpfe zusammen. Wenn die Tage im Herbst kälter werden, ziehen sie sich zurück und halten Winterschlaf. Das kann je nach Witterung sechs bis neun Monate dauern – abhängig vom Kältegrad. Der Herzschlag verlangsamt sich während dieser Zeit von 200 auf 20 Schläge die Minute. Und genau das ist das Problem mit Phil und dem Groundhog Day…

Die Tierschützer von PETA haben bereits im Vorfeld der Festlichkeiten von Punxsutawney davor gewarnt, dass das jährliche Ereignis alles andere als förderlich für den Murmeltierorganismus sei: „Jedes Jahr wird Phil gewzungen, in der örtlichen Bibliothek aufzutreten und darf deshalb keine Vorbereitung für den Winterschlaf machen – oder eben diesen antreten“, heißt es im PETA-Blog. „Dazu rechnet man dann noch den Stress, eine große, schreiende Menschenmenge, Blitzlichter und das Tätscheln von Menschenhänden.“ Die Aktivisten plädieren dafür, dass Phil endlich in den Ruhestand gehen darf und von einer robotisierten Murmeltierattrappe ersetzt wird. Dieses Anliegen haben sie auch in einem Brief (PDF) den Organisatoren mitgeteilt: „Wir glauben, dass ein animatronisches Murmeltier auf ähnliche Weise die Menge neugieriger Zuschauer in Punxsutawney verzücken wird.“

Doch der Adressat des Schreibens ist auf diesen Vorschlag – wie man sieht – nicht eingegangen. Laut AFP wies William Deeley, Präsident des lokalen Murmeltiervereins, den Vorwurf als „lächerlich“ zurück: „Alle anderen, die von Landwirten beschossen oder von Autos überfahren werden, wären gerne an der Stelle von Phil“, lautete seine Gegenantwort. Die Pelznase halte er für das „best umsorgteste Murmeltier der Welt“. Nunja, natürlich ist der Groundhog Day ein durchkommerzialisiertes Touristenspektakel. Aber wenn ich mir das Video oben so ansehe – also… Phil sieht schon ziemlich relaxt aus. Vielleicht könnte er ein Taschentuch gebrauchen.