Shitstorm gegen Viacom: Wie der US-Riese geklaute Clips vermarktet

Bitte scrollen

Mittlerweile dürften alle mitbekommen haben, dass sich Viacom und YouTube gerade wieder vor Gericht gegenüber stehen. Das Medienimperium (MTV, CBS, DreamWorks, Paramount und andere) fordert von der Google-Tochter nicht weniger als eine Milliarde US-Dollar Schadensersatz. Warum? Weil Viacom auch im Jahr 2010 noch auf die Feststellung beharrt, dass der YouTube-Videokatalog bis zu achtzig Prozent aus geklautem Content besteht.

Google sieht der ganzen Geschichte aufgeregt-gelassen entgegen und schleuderte den Viacom-Anwälten einige interessante Gegenbeweise entgegen: Etwa, dass Viacom in der Vergangenheit mehrmals versucht hätte, YouTube aufzukaufen und als dies nicht gelang, die Plattform immer wieder für Guerilla-Marketingaktionen profitabel nutzte. So schlimm kann diese Räuberhöhle also doch bitte schön gar nicht sein, so das Fazit von Google. Zudem sei es naturgemäß problematisch, geschützte Inhalte manuell zu filtern, wenn Viacom seine Seeding-Agenturen beauftragt, nachts ihre Virals auf die Plattform zu schießen.

Fernab des Gerichtssaals nahm der Konflikt nun eine andere interessante Wendung. Viacom unterhält nämlich selbst ein Videoportalspike.com – der Online-Ableger des gleichnamigen US-Senders für junge Machos („An audience described demographically as ‚young adult males‘.“). Schaut euch bitte nun dazu den folgenden Clip der VlogBrothers an:

Alles verstanden? Allem Anschein nach vermarktet Viacom auf spike.com urheberrechtsgeschützte Inhalte beziehungsweise Videos, die nach CC lizenziert sind (der „Flickr“-Clip ist CC, sowohl die Musik als auch die Fotos). Preroll-Ads, Banner und Display – ein wahres Werbefeuerwerk. Anders ausgedrückt: Auf spike.com geschieht genau das, was nach Darstellung Viacoms auch auf YouTube passiert.

Wie einige von euch wissen, bin ich ein großer Fan von Jonathan Coulton und so blieb ich an der Story dran, als JoCo über Twitter einen kleinen Shitstorm ankündigte (100+ Retweets):

Kurz nach der öffentlichen Drohung, Viacom wegen der 37 Dollar (oder 13.800 Dollar – je nachdem, welcher juristischen Rechenprozedur man folgt) in Grund und Boden zu verklagen, meldete sich der Vice President Corporate Communications bei Coulton und entschuldigte sich für das Versehen. Wenige Minuten später war der Clip „Flickr“ offline. Man werde sich wieder melden, versprach Viacom und Coulton war außer sich vor Verwunderung, als es in einer erneuten Ansprache plötzlich hieß, der Solokünstler habe Viacom doch eigentlich alle Rechte übertragen.

Coulton entsann sich dunkel, im Jahr 2006 mit dem Produzenten einer VH1-Show gesprochen zu haben, in der es um Virals gehen sollte und hatte sich im Mailverkehr einverstanden damit erklärt, dass sein Clip als Beispiel benutzt würde. Darüber hinaus wurde der Musiker gefragt, ob Viacom das Video auch auf iFilm veröffentlichen dürfe. Vor wenigen Jahren wurde aus iFilm jedoch Spike.com und so ist der Rest ist Geschichte. Auf seinem Blog erklärt sich nun Coulton:

So who’s the idiot? Me. I should have investigated the nature of iFilm a little more before saying yes – if the display of the video was commercial in nature, which it appears to have been, then permission was not mine to give. This is because the photos are CC licensed for noncommercial use. I would have to get permission from all those photographers to use the video in a commercial way. I confess that at the time I was so thrilled that anyone cared I just didn’t think about it. Neither did I think about the fact that the video could also not appear on television for the same reason. Thankfully they decided to air a video of some hot girls kissing instead.

Was wir aus der Story bislang lernen können:

1. So etwas kann nur im Jahr 2010 passieren.
2. Gib Medien-Vertretern nie die uneingeschränkte Erlaubnis, deine Inhalte zu nutzen.

Auf der positiven Seite muss man neidlos eingestehen, dass sich Viacom – zumindest was die Öffentlichkeitsarbeit 2.0 angeht – richtig verhalten hat. Sie haben zugehört, gehandelt und dadurch vielleicht sogar von der aufoktroyierten Anti-Imagekampagne profitiert, da sie Coulton zwar nichts zahlten, sich aber werbewirksam bereit erklärten, 500 Dollar an ein Gitarrenlern-Projekt für Kinder zu spenden.

Leider hat das Unternehmen kurz danach aber wieder alles versaut. Denn nun meldeten sich wiederum die VlogBrothers zurück: Viacom hat es tatsächlich fertig gebracht, ihr obiges Video, in dem es um den Fall Coulton geht, zu klauen und auf spike.com zu veröffentlichen. Inklusive umrahmender Werbekirmes. Die beiden Brüder jubelten innerlich vor Vorfreude – und bitten nun öffentlich um Rechtsbeistand, da sie eine Klage gegen Viacom vorbereiten wollen. Streitwert? 60 Cent. Und eine dicke Entschuldigung auch in Richtung YouTube: