Google-Jäger Twitter: Die Suchmaschine, die keine ist

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Holger Schmidt (FAZ) hat auf einen Artikel bei Fast Company hingewiesen. Titel: „Twitter is the worlds fastest growing search engine„. Darin wird berichtet, dass Mitgründer Biz Stone in einem Interview im Rahmen das Aspen Ideas Festival im Juli gesagt habe, Twitter würde mittlerweile 800 Millionen Suchanfragen verzeichnen – und das täglich. Auf den Monat gerechnet, kämen wir bei dieser Zahl locker auf 24 Milliarden Queries. Noch beeindruckender als diese Zahl ist allerdings das Wachstum, das Twitter bei den Suchanfragen hinlegen konnte. Erst im April hatte das Unternehmen bekannt gegeben, dass man die Grenze von 19 Milliarden Queries pro Monat habe knacken können.

24 Milliarden? Damit man ein Gefühl dafür bekommt, wie viel das eigentlich ist, habe ich die jüngsten Zahlen von ComScore herausgesucht. Sie stammen von Dezember 2009 – wer aktuellere Daten hat, möge sich deshalb bei mir melden. Hier das Ranking der globalen Suchanfragen:

  • Google (inkl. YouTube & Co.): 87,8 Milliarden pro Monat
  • Yahoo!: 9,4 Milliarden pro Monat
  • Baidu: 8,5 Milliarden pro Monat
  • Bing: 4,1 Milliarden pro Monat

Twitter wäre demnach heute die Nummer zwei bei den Suchanfragen, doch stimmt das wirklich? Nein: Die Annahme, Twitter mit den etablierten Suchmaschinen vergleichen zu können, ist reiner Mumpitz.

Laut Mitgründer Evan Williams wird ein Großteil der Anfragen über die Clients diverser Drittanbieter abgewickelt, die über die Twitter-API mit der Plattform kommunizieren. Dabei handelt es sich im großen Stile um automatisierte Queries, die in kurzen Intervallen sich immer wieder bei der Suchschnittstelle bedienen. Ein Beispiel: TweetDeck lässt eine individualisierbare Suche zu, die völlig automatisiert jede Minute Twitter nach bestimmten Keywords absucht. Das macht am Tag (24 Stunden) 1.440 und im Monat 43.200 Suchanfragen (!), die ein einzelnes Programm verursacht.

Ein weiteres Beispiel sind die sogenannten Twitter-Widges, die ähnlich funktionieren, aber direkt auf Websites implementiert werden. Auch hier kommt es ständig zu automatisierten Suchanfragen, die das Gesamtergebnis markant nach oben verzerren. Tatsächlich nutze ich hier und jetzt die Gelegenheit, das Queries-Konto von Twitter ein bisschen aufzubessern:

Man sieht, wie einfach es ist, den Zahlenolymp im Wettstreit um den Titel „Die populärste Suchmaschine der Welt“ zu erklimmen. Das Echtzeit-Monitoring ist der Power-User der Suchschnittstelle: eine Art Google Alert in millionenfacher Potenz. Über die Anzahl der Nutzer, die Twitter tatsächlich manuell nach Themen durchforsten (etwa über search.twitter.com oder den Suchschlitz im Profil) lässt sich nur spekulieren.

Stone und Williams sonnen sich jedoch gerne in den absoluten Zahlen. Warum auch nicht? Es ist nicht reine Megalomanie, zu verbreiten, dass man Yahoo! und Bing in Sachen Suchanfragen bereits in die Tasche gesteckt habe und nun Google immer dichter auf den Fersen sei. Dahinter steckt auch eine bestimmte Absicht, die schnell deutlich wird, wenn man bedenkt, dass Twitter seit April ordentlich an gesponsorten Suchergebnissen verdient: „Buchen Sie jetzt Promoted Tweets bei einer der größten Suchmaschinen der Welt!“

4 Kommentar

  1. Guter Artikel. Mich würde aber auch interessieren, in wieweit Twitter tatsächlich als Suchmaschine sinnvoll eingesetzt werden kann. Generell nutze ich Twitter als Info-Radar, d.h. die Timelie macht mich auf Dinge aufmerksam, von denen ich noch gar nicht weiß, dass ich sie „suche“. Lediglich bei Events, wenn ich per Twitter live kommentiere, suche ich nach Leuten, die das ebenfalls tun. Und manchmal suche ich nach Hashtag-Einträgen zu einem bestimmten Thema. Aber dann eher aus Faulheit, weil ich nicht rüber zu Google wechseln will.

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