iTunes für News: Ebyline will Journalisten von der Straße holen

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Die Wirtschaftskrise hat im vergangenen Jahr eine Spur der Verwüstung im internationalen Journalismus hinterlassen. Alleine in den USA sind 2009 rund 15.000 Redakteure geflogen, weil Zeitungen und Magazine die Läden dicht gemacht haben. In Deutschland sieht die Sache nicht anders aus.

Im Rahmen der anhaltend schleppenden Konsolidierung berappeln sich langsam die Verlage, was zum einen mit einem Umdenken in der Vertriebsstrategie und zum anderen mit der journalistischen Effizienzsteigerung einhergeht. AOL hat sich wohl die radikalste Kur unterzogen: eine Armee von Freelancern schreibt nach vorgegebenen Keywords, die zuvor von einem Rechner ermittelt wurden. Geschrieben wird nicht nach Relevanz, sondern nach Buzz-Faktor. Auf diese Weise kommen immer wieder Geschichten zusammen, in denen beispielsweise erklärt wird, warum Sex für das Gehirnwachstum förderlich ist.

Doch es gibt auch kreative, offene Ansätze. Vom Streamlining redaktioneller Prozesse profitieren in erster Linie wieder die freien Schreiber. Viele von ihnen leiden jedoch unter Skorbut, wenn es um Vitamin-B geht. Connections fehlen, es gibt kein organisiertes Distributionsnetz und damit kein regelmäßiges Einkommen. Ein kleines Start-Up aus Los Angeles will dies nun ändern. Ebyline wird von diversen Machern der Branche unterstützt, darunter Ex-Entscheider der „Los Angeles Times“, „Rolling Stone“ und „ABC News“. Der Gründer von Ebyline, Bill Momary (selbst einmal ein arbeitsloser Journalist gewesen), verspricht „Qualitätsjournalismus in seiner reinsten Form“ – und wenn er hält, was er versprochen hat, will ich dieses Konzept gar nicht einmal niedermachen.

Es funktioniert so: Journalisten schreiben Stories, die dann im Backend der Seite online gestellt werden. Momary vergleicht den Dienst mit einer exklusiven Content-Speisekarte, aus der gewählt werden kann. Alternativ gibt es Redaktionen, die konkrete Themen vorgeben und diese dann im Web-Interface mit geeigneten Freelancern diskutieren. Pro Artikel können zwischen 25 und 300 Dollar berechnet werden, wobei Ebyline acht Prozent an Provision davon einsteckt. Dafür wickelt das Unternehmen den gesamten Zahlungsprozess ab und füllt sogar die nötigen Steuerunterlagen aus.

Die Idee ist nicht allzu neu, Demand Media oder Associated Content haben bereits einen Fuß in der Tür. Was bei den beiden Letztgenannten jedoch veröffentlicht wird, ist, Pardon, der letzte Dreck. Auch in Deutschland gibt es ähnliche Angebote, wie Text Broker, wo Rentner und Hausfrauen dafür bezahlt werden, SEO-Texte für ein Magerlohn zu kloppen.

Ebyline will sich jedoch explizit über Qualität definieren. So wird auch nicht jeder Journalist Zugang zu dem System erhalten, da Arbeitsproben und sonstige Nachweise einer professionellen Laufbahn eingefordert werden. Vielleicht wäre ein solchen Modell auch in Deutschland möglich. Der Bedarf ist sicher da und ich kenne genügend qualifiziertes Personal (Beispiel: Netzeitung), das so wieder einen Fuß in die Tür bekommen könnte.

➤ Leseempfehlung dazu: „Good journalism will thrive, whatever the format

2 Kommentar

  1. „Qualität“ zwischen 25 und 300 Dollar. Wie ich die Pappenheimer kenne, wird sich das eher am unteren Spektrum orientieren. Und wer für eine Geschichte mal ein paar Tage oder Woche reist und recherchiert, bekommt auch nur 300 Dollar? Ich teile deswegen deine Skepsis. Lieber mal ein bisschen überschüssige Energie in Vitamin B umwandeln. Ist schwer, aber nicht unmöglich.

  2. @Jürgen: Jep, 25 Dollar ist wirklich nichts. Aber warten wir mal ab, wie sich der Laden im Live-Betrieb macht. US-Journalisten können sich ja unverbindlich eintragen lassen und sehen, welche Themen ihnen vorgesetzt werden… und dann entscheiden.

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