Marketing-Coup Facebook Places: Lasst die Nutzer die Arbeit machen

Bitte scrollen

Wir sind nur wenige Tage vom Start in Deutschland entfernt, in Großbritannien hat Facebook die neue Funktion Places bereits gestern frei geschaltet. Der „Telegraph“ hat den Launch in England mit großem Interesse verfolgt und ließ schon früh die Konkurrenz zu Wort kommen. Foursquare-Gründer Dennis Crowley durfte daher provisorisch kräftig auf die Pauke hauen, er halte Facebook Places „weder für großartig noch interessant“ und finde den Dienst allgemein „ziemlich langweilig“. Facebook verkniff sich jede Replik, wohl wissend, dass der kleine Wettbewerber wohl niemals eine ernsthafte Gefahr darstellen wird. Foursquare vermeldete Ende August, dass die Marke von drei Millionen Mitgliedern geknackt wurde. Zuckerbergs Netzwerk nähert sich in Riesenschritten den 550 Millionen. Masse statt Klasse dürfte hier beim Start des neuen Services völlig ausreichend sein. Für motivationssteigernde Features wird später noch immer genug Zeit bleiben.

Doch was soll der ganze Zauber überhaupt? Erwartungsgemäß war die bisherige Resonanz im Vereinigten Königreich eher bescheiden. SEM-Spezialist Martin McNulty (von Forward 3D) erzählte so dem Telegraph, dass die Zündung der Rakete noch im Dämmer der Zukunft liege: „Facebook Places wird nur langsam eine Anhängerschaft beim UK-Publikum aufbauen können.“ Die Menschen seien erst einmal damit beschäftigt, den praktischen Wert des Dienstes auszuloten. Und tatsächlich wirkt Places auf den ersten Blick wie ein völlig unnützer Stalker-Apparat, eine Ansicht, die viele Eltern auch bei den von ihren Kindern genutzten Services, wie Foursquare oder Gowalla, vertreten. Was soll das?

Facebook hielt zum England-Launch eine kleine Pressekonferenz ab und plauderte dabei ein wenig über die Hintergründe zur Entscheidung. Produktmanager Michael Sharon, verantwortlich für Places, hob drei Vorteile heraus, die sich Nutzer durch die Anwendung verschaffen können:

1. Nutzer können schnell mitteilen, wo und mit wem sie zusammen sind.
2. Nutzer können Freunde finden, die sich in unmittelbarerer Nähe aufhalten.
3. Places erlaubt die Entdeckung neuer Locations, wie Shops, Clubs und Kinos usw.

Im Grunde genommen ist das keine Beantwortung der Frage, sondern nur die redundante Beschreibung der Funktion: „Und jetzt?“, fragen sich konfrontierte Nutzer. „Was bringt mir das?“ Die eigentliche Antwort lautet: „Dir persönlich nicht allzu viel.“ Der Bedarf nach Location Based Services ist nicht so immens, wie die großspurigen Ankündigungen einen glauben machen könnten; tatsächlich wird die Nachfrage erst durch die Existenz von derlei Diensten generiert. Auch, wenn die Anmeldezahlen langsam steigen, so haben wir es doch eher mit einem Hineinschnuppern als mit einer regelmäßigen Nutzung der Anwendungen zu tun.

Um den Launch zu verstehen, kommen wir an einen Seitenwechsel – der wohlweißlich von Facebook verschwiegen wird – nicht herum. Location Based Services sind in erster Linie ein Instrument der Wirtschaft, die ständig bemüht ist, neue Vermarktungsstrategien im digitalen Zeitalter zu finden. Dabei rücken die wertvollen Metadaten der Kunden immer weiter in den Vordergrund. Das virtuelle Einchecken in Locations wird derzeit durch ebenso virtuelle Gewinne wie Badgets, Mayorships und Items schmackhaft gemacht – was die Motivationskurve der Nutzer gerade so lange über Wasser hält, bis die Wirtschaft mit gescheiten Lockmethoden an die etablierte Front preschen kann.

Das klingt abstrakt, daher ein aktuelles Beispiel: Kürzlich hatte McDonald’s in den Staaten die Teilnahme am Foursquare-Day angekündigt. Im ganzen Land waren Kunden angehalten, die Filialen zu stürmen und sich über den Dienst einzuschecken. Anreiz boten aber nicht Thumbnail-Badges, sondern knallharte Burger-Gutscheine, die unter allen Teilnehmern verlost wurden. Insgesamt lagen 100 Coupons im Wert von fünf und zehn Dollar in der Lostrommel – eine Investition also, die McDonald’s nicht einmal 1.000 Dollar gekostet hat. Das Ergebnis? Die Laufkundschaft in den Fastfood-Filialen stieg für diesen Tag um 33 Prozent an. Auf die gesamte Woche gesehen, waren es 40 Prozent. Dazu kam ein Haufen kostenloses Word-of-Mouth-Marketing: Insgesamt wurden rund 50 Artikel und Blog-Posts zur Aktion im Netz veröffentlicht, bei Facebook und Twitter stieg die Zahl der Anhänger um satte 600.000 Fans und Follower.

Der Social Media-Beauftragte der Burger-Kette, Rick Wion, sieht sich in seiner Strategie bestätigt: „Ich ging zu unseren Marketing-Leute, von denen einige noch nie etwas von Foursquare gehört hatten. Ich sagte: ‚Schaut mal her: Mit dieser winzigen Anstrengung waren wir in der Lage, die Kundschaft in den Läden um 33 Prozent zu vergrößern.'“
Pilottests wie diese werden wir in Zukunft häufiger sehen. Im Mittelpunkt steht das Engangement der Kunden und weniger die GPS-Vernetzung der Nutzer untereinander. Sonderrabatte für alle Eingecheckten, Preisnachlässe für regelmäßige Kunden, Gruppenermäßigungen für Places-Kumpel – dies sind die Anreize, die künftig zum Boom der Location Based Services beitragen werden. Mund-zu-Mund-Propaganda und aktive Kunden ersetzen millionenschweres Brand-Marketing: 1.000 Dollar – 33 Prozent mehr Kundschaft im ganzen Land. So geht das.

Facebook steht hier erst am Anfang und muss zunächst einen ordentlichen Stamm an regelmäßigen Nutzern aufbauen. Erst dann wird die Werbeabteilung des Netzwerks die Türen für die Wirtschaft öffnen.