Facebook-Shitstorm gegen Kochblatt: „Die servieren Fleisch von Einhörnern!“

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Im Blog von Facebookmarketing ist gerade ein tolles Interview mit Subway Deutschland (ja, die Schnittchenmacher) zu lesen. Hier erfahren wir, dass die „sehr erfolgreiche Einbindung von Social Media“ bereits zum „wichtigen Bestandteil unserer Kommunikationsaktivitäten“ geworden ist. Ich mag die Offenheit, das Professionelle, die tatsächliche Begeisterung, die zwischen den Zeilen zu lesen ist. Es ist ein Best-Case-Szenario, es läuft rund, immerhin arbeitet man konstruktiv und aufrichtig mit den Kunden zusammen – auch, wenn es mal Kritik gibt. Wenn man es gut macht, eignet sich Facebook nicht nur hervorragend zur Vermarktung von Sandwiches, sondern auch von Tischdecken, Radkappen und Sonstigem. Doch man sollte niemals vergessen, wer hier eigentlich das Zepter in der Hand hält: die Nutzer.

Die Deutsche Bahn kam auf Facebook von den Schienen ab, Nestlé bekam für Palmöl eins über die Rübe gebraten, H&M flog auf, nachdem im vergangenen Winter nagelneue Klamotten vor den Augen der frierenden Obdachlosen zerschnitten wurden – es gibt zig Beispiele, in denen sich die Macht der Kunden im Social Web offenbart. Nicht selten müssen erst Monate vergehen, ehe Gras über die Sache gewachsen ist. Denn die barmherzige Zeit ist alles, mit dem sich betroffene Unternehmen in diesen Momenten verbünden können; es sei denn, man schafft es, endlich eine radikale Kursänderung in der Kommunikationsstrategie zu riskieren, Fehler zuzugeben und aufrichtig zuzuhören und zu reagieren.

Doch es geht noch eine Spur härter. Lust zuzuhören? Bitte sehr, lehnen Sie sich zurück und lauschen Sie der Erzählung über eine der größten Schlachten, die je auf Facebook geschlagen wurden.

Es begab sich zu der Zeit, als eine Dame namens Monica Gaudio ein Rezept ins Netz stellte; ein Kuchen, dessen Zutaten bereits im Mittelalter für die perfekte Zungenharmonie gemischt wurden. Kurze Zeit später aber fand die Hobby-Köchin ihr Rezept in der gedruckten Ausgabe von „Cooks Source“ (http://cookssource.com – ich verlinke hier nicht) wieder: komplett mit Headline und Fließtext, alles so gut wie unverändert. „Cooks Source“ ist ein werbefinanziertes Gourmetblättchen, das in New England verteilt wird. Gaudio war ein wenig verstört, jedoch gelassen genug, um der Zeitschrift die Bitte zukommen zu lassen, sowohl in der Print-Ausgabe als auch auf der Facebook-Page darauf hinzuweisen, dass es ihr Artikel gewesen sei, der da veröffentlicht wurde. Außerdem bat sie um einen kleinen Obolus in Höhe von 130 Dollar (rund 90 Euro), den sie einer Journalistenschule spenden wollte. Hier die Antwort der Chefredakteurin:

Yes Monica, I have been doing this for 3 decades, having been an editor at The Voice, Housitonic Home and Connecticut Woman Magazine. I do know about copyright laws. (…) But honestly Monica, the web is considered “public domain” and you should be happy we just didn’t “lift” your whole article and put someone else’s name on it! (…) I am sorry, but you as a professional should know that the article we used written by you was in very bad need of editing, and is much better now than was originally. Now it will work well for your portfolio. For that reason, I have a bit of a difficult time with your requests for monetary gain, albeit for such a fine (and very wealthy!) institution. We put some time into rewrites, you should compensate me! I never charge young writers for advice or rewriting poorly written pieces, and have many who write for me… ALWAYS for free!

Die Frau stellt also drei Thesen auf: Erstens sei alles, was im Internet veröffentlicht wird, frei verfügbares Allgemeingut. Zweitens sei Gaudios vorgefundener Artikel in einer Verfassung gewesen, dass ein Redakteur noch einmal darüber bürsten musste. Drittens schulde tatsächlich Gaudio dem Magazin Geld – für das Redigieren und für den Reputations-Boost, den sie dadurch erhalten hätte.

So, was macht man nun als gelumpte Autorin, die gerade mit geöffnetem Mund ihr Mail-Postfach schließt. Zum Anwalt rennen? In der Garage die Axt suchen? Weinen? Nein. Sie verfasste einen Blog-Post und startete damit eine Kettenreaktion, deren Ausmaße wohl niemand geahnt hätte. Binnen Stunden wurde die Facebook-Seite mit negativen Kommentaren geflutet, viele Gaudio-Fans drehen völlig durch, werfen „Cooks Source“ vor, 9/11 verusacht zu haben, Einhornrezepte zu drucken, Katzenbabies zu fressen oder Hitler gewählt zu haben. Viele User melden sich nur kurz an, lassen ihren Kommentar auf der Pinnwand und „unliken“ die Seite. Zwischenzeitlich gibt es vier gefakte TwitterAccounts, die humorvoll und im Namen von „Crooks Source“ (wie es nun heißt) die Überflüssigkeit des Copyrights beschimpfen. Erste Domains wurden ebenfalls bereits registriert.

Wer an Worst Case Studies interessiert ist, sollte hier aber noch nicht aufhören zu lesen. Denn natürlich hat „Cooks Source“ dem Ansturm auch etwas entgegenzusetzen. Nämlich eine ähnlich freche Notiz, wie das Magazin bereits Gaudio hat zukommen lassen. Auf der Facebook-Seite heißt es nun:

Hi Folks!

 Well, here I am with egg on my face! I did apologise to Monica via email, but aparently it wasnt enough for her. To all of you, thank you for your interest in Cooks Source and Again, to Monica, I am sorry — my bad!
You did find a way to get your „pound of flesh…“ we used to have 110 „friends,“ we now have 1,870… wow!

Über 200 daraufhin folgende, wütende Kommentare später stellt sich die Frage, ob negative Publicity tatsächlich irgendeine Form der Publicity darstellt und damit als gut zu bewerten ist. Mir wäre jedenfalls jeder Appetit vergangen.

Via: @marek_hoffmann

Bild: ThinkGeek