Der Medienjournalist als akkreditierter Nestbeschmutzer?

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Zugegeben, der Job eines Medienjournalisten ist vergleichsweise einfach. Viele haben einstmals das klassische Handwerk gelernt, bis dann der Punkt kam, an dem die Neugier und auch der Spaß an der Selbstreflexion zunahm. Ob Niggemeier, das Bild-Blog oder Meedia – alle schauen mit kritischem und zum Teil spöttischem Blick auf die Arbeit der Kollegen, bieten nonchalant Korrekturen an oder unterwerfen die Branche irgendwelchen Rankings, die uns Aufschluss über Qualitäten geben sollen. Ist das eine Arbeit, auf die man verzichten kann?

Die Antwort ergibt sich, wenn wir über den Journalismus als die gefeierte „vierte Macht im Staate“ und damit über eine Erkenntnis aus dem 18. Jahrhundert nachdenken. Die staatlichen Einrichtungen unterliegen Checks and Balances – doch wer kontrolliert eigentlich die Presse? Hin und wieder gibt es gibt es reflexartige Selbstreinigungsprozesse, doch die kontinuierliche Arbeit wird tatsächlich überwiegend von den Medienjournalisten geleistet.

Der internationale und vor allem auch der deutsche Journalismus befindet sich wohl in der größten Krise seiner Geschichte: der Medienwandel kam urplötzlich über uns, es fehlt an Vertriebsmodellen, Werbeeinahmen brechen weg, es gibt „Content-Klau“ und Urheberrechtsdiskussionen, eine Machtverschiebung hin zu den Agenturen und damit eine Menge Leute im Pressewesen, die tagtäglich um ihre Jobs bangen müssen. Dass die Nerven blank liegen, zeigen nicht erst die jüngsten Auseinandersetzungen innerhalb der Branche.

Die ARD und das ZDF – kurz: die von uns finanzierten unabhängigen staatlichen Medien – haben grob fahrlässig Scheiße gebaut. So zumindest lautet das Fazit der „Frankfurter Rundschau“, die am Mittwoch gleich zwei Mal die Kanonen mit lautem Getöse knallen ließ. Nach der in der Tat katastrophalen Berichterstattung rund um die tobenden Revolutionen in Nordafrika, habe der öffentliche Rundfunk sich neuerlich einen Klops geleistet. Dieses Mal scheitern die Sendungen aber am demonstrativen und zudem schlecht organisierten Info-Overkill. Hören wir kurz hinein:

Artikel 1:

Und überhaupt zeigte sich, wie wenig es unterm Strich bringen kann, klassische Vollprogramme zu News-Kanälen umzubauen, wie sich das manche in Krisenzeiten wünschen. Zwar können die Zuschauer mit Verblüffung zur Kenntnis nehmen, mit wie wenig Schlaf Korrespondenten wie etwa der ZDF-Mann Johannes Hano in Zeiten der Not auskommen können.

Artikel 2:

Hetkämper hingegen kommt – wie auch sein ZDF-Kollege Johannes Hano – gar nicht mehr von seiner Schaltposition weg. Beide tragen Agenturmeldungen und Gerüchte ihrer Kollegen zusammen, nun teils aus entferntem Büro. Die Berichte für „Tagesthemen“ und „heute-journal“ über das Leid der Japaner, die erst vom Erdbeben ins Ungewisse gerüttelt und dann auch noch von den Urgewalten des Tsunamis ihrer Existenz beraubt wurden, kopierten hingegen Redakteure in den Sendezentralen zusammen.

Das ist zweifelsohne harter Tobak. Die Berichterstattung zu den Geschehnissen in Japan ist sicherlich keine leichte Aufgabe. Zum einen gibt es beinahe minütlich neue Informationen, widersprüchliche Statements der Regierung und des AKW-Betreibers. Zum anderen gestaltet sich aggressiver Investigativjournalismus nun einmal schwer, wenn ein kurzer Blick auf den Geigerzähler 400 Millisievert pro Stunde offenbart.

Die Frage, ob ARD und ZDF zu viel Material aus Japan zeigen, erübrigt sich eigentlich. Wenn wir darin übereinstimmen, dass eine aktuelle Berichterstattung wichtig und nötig ist, sollten wir auch darin übereinstimmen, dass es nun einmal am Medium Fernsehen liegt. Es ist der Fluch einer linearen Berieselungsinstanz, in der immer nur ein Band auf einmal laufen kann. Es gibt keine Varianz, nur das Zapping. Dass die „Frankfurter Rundschau“ stattdessen die parallel stattfindende Online-Aufklärung der Sender lobt, zeigt, dass man dafür offenbar kein Verständnis hat:

Die Redaktion des Portals überzeugt selbst auf einem anderen Gebiet: der raschen Berichterstattung auf der Plattform Twitter. 40000 Internetnutzer folgen dem Benutzer @ZDFonline inzwischen, der auf Programminhalte ebenso hinweist wie auf neue Videos des eigenen Kanals im Netz – darunter der Livestream des ZDF-Infokanals, der dieser Tage einen permanent ins deutsche synchronisierten japanischen Sender durchleitet.

HK World TV Live wird also im Netz live vom ZDF übertragen. Witzigerweise wird der optional angebotene Stream im weiteren Artikel schon wieder dem Sender vorgeworfen – dieses Mal als als halbherzige Materialschlacht mit billigen Asia-Importen.

Dass der Deutsche Journalistenverband (DJV) am Mittwoch pampig auf die Anklage reagierte, ist nur zu gut nachzuvollziehen. Selbst der interessierte Beobachter wird angesichts der neuen Kritik mit den Schultern zucken und ein ratloses „Na, was den nun?!“ von sich geben. Ich kann die FR-Prügel in Richtung des ÖR nur als Nervosität interpretieren, als Versuch, die Kritik von damals wieder aufflammen zu lassen – das Bashing im Rahmen der Ägypten-Berichterstattung war immerhin ein profitables Geschäft und jeder dezente Hinweis auf die GEZ heizt ja das Leser-Engagement weiter an.

„Wir sind kein Nachrichtenknal, wir sind ein Vollprogramm“, hatte seinerzeit „Tagesschau“-Chef Kai Gniffke den Kritikern entgegnet. Einen Monat später werden die Sender mit Überdrussbekundungen überhäuft. Vielleicht zum vorläufigen Abschluss noch zwei kleine Informationen. Zunächst einmal die Einschaltquoten von ARD und ZDF vom Dienstag:

Und hier nun ein zufälliger Screenshot der Online-Ausgabe der „Frankfurter Rundschau“:

Bild: Flickr – Fotograf: studiomuscle

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