„The Stream“: Al Jazeera launcht erstes Social Media Vollprogramm für News

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Al Jazeera English kann es sich leisten. Dank des beispiellosen Web-Boosts der vergangenen Wochen konnte der Sender aus Katar eine enorme internationale Online-Community hinter sich vereinen – wozu nicht zuletzt auch das schlechte Standing bei den Kabelnetzbetreibern beigetragen hat: Das Engagement ist hoch, die politische Unzufriedenheit auch und was liegt da näher, als den Bürgerjournalismus auf eine neue Stufe zu heben.

Am Montagabend wird von Al Jazeera „The Stream“ gelauncht, „die aggressivste Integration von Social Media in den Live-Betrieb eines Senders“, wie es bei Fast Company zu lesen steht. Tatsächlich handelt es sich bei The Stream nicht um eine Sendungsverlängerung ins Netz: das Netz selbst macht die Sendung. Das neue Format wird 24 Stunden am Tag live gestreamt, wobei (nicht zuletzt aus Qualitätsgründen) 30 Minuten für die Präsenz eines Moderators eingeplant sind. Zum Start wird Al Jazeera jedoch um einige Wiederholungen im Programm nicht herum kommen.

„Wenn die Fernsehprogramme nicht auf die neuen, demokratischen Wege reagieren, wie heute Informationen gesammelt und analysiert werden, besteht das Risiko, dass die Zuschauer fern bleiben“, sagt Programmchef Paul Eedle. Das soll wohl sein: Ob Japan, Ägypten oder Tunesien – die Nachrichtenlage war stets unübersichtlich, interessierte Beobachter mussten sich kontinuierlich durch ständig neue Quellen arbeiten und die alten dabei nicht aus den Augen lassen. Zeitgleich bestand immer das Risiko, auf politisch gefärbte Infobröckchen hereinzufallen. The Stream will das Sondieren auf vielen Schultern verteilen: „Dank Social Media haben wir so nun nicht mehr nur 55 Augen und Ohren vor Ort, sondern 5.500 – oder 55.000“, so Eedle (Anmerkung des Autors: Er weiß bestimmt, dass die meisten von uns zwei Ohren und zwei Augen haben).

In der Selbstbeschreibung heißt dazu:

This is not a show simply about the hottest viral videos or trending stories on the internet. #8millionBeliebers and #TeamSheen will not figure on The Stream. Instead, our goal is to connect with unique, less-covered online communities around the world and share their stories and viewpoints on the news of the day. A key part of The Stream’s mission is to help its viewers discover the newest online tools and advice to develop and share their information through these fast-changing networks.

Social networking now offers new possibilities to expand Al Jazeera English’s mission to give voice to the voiceless. As the tremendous growth of these networks moulds and transforms the news agenda, The Stream aims to share these possibilities and connect its global audience into a dynamic online dialogue.

 

Zur Praxis: The Stream aggregiert jeden verfügbaren User Generated Content zum jeweiligen Thema: Blogs, YouTube, Twitter, Flickr und andere Dienste werden dabei berücksichtigt. Die Infrastruktur, die dabei zum Einsatz kommt, ist denkbar einfach gestrickt: sie besteht nämlich aus dem Permutierautomaten Storify, der schon seit einiger Zeit im Netz als Beta verfügbar ist.

Al Jazeera gibt also mächtig Gas – und wagt sich an ein spannendes Experiment heran. Was allerdings noch spannender werden könnte, sind die politischen Hintergründe des neuen Formats. Der Sender will raus aus der Nische: er drängt immer weiter in den Mainstream und möchte nicht länger als reiner Krisenkanal wahrgenommen werden. Daher wird die Redaktion von The Stream auch in Washington sitzen – eine scharfe Kampfansage an die etablierten Sender, auf die Hillary Clinton jüngst so sehr geschimpft hatte.

The Stream wird noch am Montag online gehen. In der Zwischenzeit können sich Interessierte ja das Projekt auf Facebook und Twitter näher ansehen.

Update: Die erste Sendung ist online

Die Rezensenten von LostRemote zeigen sich zufrieden: „In the end, like many others, I was impressed. Most ‚interactive‘ TV shows either try to hard or don’t go far enough. The Stream is a smart, fast-moving, younger-focused discussion show that doesn’t let the technology get in the way of the issues.“




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