Social Media 2014: Auf dich, liebe Transparenz!

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So, das Jahr 2013 hat sich schon mal den Mantel angezogen und die Haustür geöffnet (hier der komplette Rückblick, der alle anderen überflüssig macht): da lohnt sich jetzt auch schon der Blick in die Glaskugel. Derzeit kursieren ja einige Trend-Artikel, die vom Jahr 2014 berichten, etwa, dass kein Weg mehr an Mobile vorbei gehen wird, Social Ads boomen werden und Social Search ja mal sowas von durch die Decke gehen wird. Das ist alles richtig, ich möchte aber nur über ein Thema berichten, das wohl alle anderen – wenn nicht beherrschen, so doch beeinflussen wird: Transparenz.

Das Social Web – und vor allem der Umgang damit und darin – ist erwachsen geworden und der Einfluss auf das reale Leben ist unzweifelhaft exponentiell gestiegen. Im Jahr 2013 wurden wir oft Zeuge einer Art Direkten Demokratie, bei der das Mitbestimmungsrecht der Nutzer sich immer häufiger auf die Tagesereignisse niederschlug. Kommunikation zwischen B2C und C2B ist etwas Feines, das haben nicht nur Unternehmen, sondern in erster Linie auch die Nutzer gemerkt. Manchmal sorgt es schon für sanfte Genugtuung, wenn Kritik erhört wird, immer häufiger geht es beim Dialog im Netz aber um Existentielleres, um lebensentscheidende Geschichten. Denn Kommunikation ist nur das Symptom einer Emotion, eines Bedürfnisses. Menschen teilen sich mit, weil sie etwas loswerden oder etwas erfahren wollen: unzufriedene brasilianische Kaffeebauern twittern, Unfallzeugen instagrammen, Naturschützer youtuben, unterdrückte Frauen facebooken, enttäuschte Gäste yelpen, rausgeworfene Arbeitgeber kununuen, Whistleblower wikileaken, benachteiligte Schüler slidesharen, betrogene Partner posten bei Reddit und überarbeitete Krankenschwestern googleplussen. Ende 2013 hat das Social Web die Machtreichweite der Nutzer auf einen neuen Rekord erweitert – selbst die einstigen Leichen im Keller haben heute eine Stimme und werden gehört. Alles spült sich langsam nach oben. Dass die neue Transparenz etwas bewirkt, hat in diesem Jahrzehnt keiner besser gezeigt als Edward Snowden, dessen Enthüllungen makropolitisch den ganzen Globus in Aufruhr versetzten.

Nicht imageförderlich: Öffentliches Scheißebauen

Im Jahr 2014 werden Unternehmen, Organisationen und die Politik verstehen, dass Social Media als Konzept einer reinen Must-Have-Show-Veranstaltung nicht länger zu halten ist. Der nächste Evolutionsschritt ist längst vollzogen, die meisten haben es nur noch nicht mitbekommen. Auf „Dabeisein“ und „Zuhören“ folgt im kommenden Jahr ein entschiedenes „Entsprechend Handeln“. Wer es versäumt, seine Fehler der vergangenen Jahre zu korrigieren und sich fortan aufrichtig zu verhalten, wird ansonsten schnell unter die Räder kommen. Wer Nutzer, Kunden und Bürger belügt, riskiert alles. Als Erik Qualman vor einigen Jahren über den ROI der Online-Kommunikation philosophierte, sagte er: „Der Return on Investment in Social Media ist, dass dein Unternehmen in fünf Jahren noch existiert.“ Das ist natürlich nur die halbe Wahrheit. Nicht nur die vergangenen Monate haben gezeigt, dass öffentliches Scheißebauen nicht gerade das Image zugunsten des Urhebers fördert. Zum Dialog gehört das entsprechende Handeln.

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Doch! Natürlich gibt es auch noch die andere Seite, das Gegenteil des Risikos. Und das kennen wir alle, da wir es schon als Kinder in Sprichwortform gelernt haben: „Ehrlichkeit zahlt sich aus.“ Ohne mit Vokabeln klassischer Tugendlehre um mich werfen zu wollen: Wer sich moralisch, offen – kurz: korrekt – verhält, gewinnt beim Publikum jede Menge Sympathiepunkte, die keine noch so ausgeklügelte Kampagnenstrategie nachhaltig erzeugen könnte. Um aus „Tue Gutes und rede darüber!“ ein „Sei einfach gut und rede darüber!“ werden zu lassen, ist also Change Management ein wichtiger Faktor für den Erfolg. Es geht darum, neben der Verkaufsoptimierung endlich auch andere Strukturen unter die Lupe zu nehmen: „Wie kann ich den Kunden etwas Besseres bieten?“, „Wie schaffe ich es, dass meine Mitarbeiter zufriedener werden?“, „Warum ist billiger Rohstoff nicht immer der beste?“ usw.

Im Jahr 2014 kann Digital Social Marketing ohne derlei Fragen nicht mehr gedacht werden; da alles andere ja doch morgen herauskommen würde und mir zehn Watchblogs auf den Fersen sind. Bis heute wurde im Social Web viel getestet und experimentiert, es wurden Erfahrungen gemacht, Erfolge gefeiert und Rückschläge hingenommen – doch das Jahr 2013 war lediglich die Generalprobe. Ab dem kommenden Jahr geht es zusätzlich darum, das äußere Bild des Unternehmens endlich dem inneren gleichzusetzen und damit Brand Trust aufzubauen – weshalb mein Kumpel Marek und ich ja auch Hemd&Hoodie gegründet haben.

Opa motzt auf Facebook

„Ist das nicht vielleicht ein bisschen zuviel des Guten? Ich meine… so groß ist der Einfluss von Facebook jetzt auch nicht…“ Guter Einwurf – leider zu kurz gedacht. Das Buzzword „Social Media“ verschwindet (was einige auch mit Erleichterung zu Kenntnis nehmen), denn die Kommunikation im Web ist nun etwas Alltägliches. Die ersten Telefone der Welt wurden bestaunt, heute nervt es nur noch, wenn es besetzt ist. Der frühe Zauber der Netzwerktechnologie ist verflogen, in den Vordergrund ist der tatsächliche Nutzen gerückt. Es ist normal sich mitzuteilen. In 2014 wird diese Selbstverständlichkeit so weit zugenommen haben, dass wir uns wundern, wenn der Kumpel nach dem grauenhaften Italiener-Besuch keinen Yelp-Rant von der Stange lässt. Gleichzeitig weitet sich das natürliche Online-Kommunikationsverhalten auf alle Gesellschaftsschichten weiter aus: 55 Prozent der Internetnutzer in der Generation 50-Plus sind derzeit in sozialen Netzwerken aktiv und bringen mehr Verständnis für das digitale Zeitalter mit (leider nicht immer für die dazugehörige Politik). Zum Vergleich: Vor zwei Jahren waren es erst 46 Prozent. Die Telefonbücher sind verschwunden und die Google-Suchen nach Kontaktinformationen nehmen weiter ab, wenn Opa seinen Leserbrief direkt auf der Facebook-Page loswerden kann. Der vernetzte Nutzer/Kunde/Bürger wird Normalzustand: mobil, immer bereit, immer in den Startlöchern.

Im Jahr 2014 ist echtes Zuhören nach wie vor wichtig; wirklich wichtig wird aber das entsprechende Handeln.

Vielleicht klingt es nach vorweihnachtlicher Sentimentalität, aber Transparenz kann – auf dem oben beschriebenen Weg – dazu beitragen, diese Welt besser zu machen. Und zwar für alle Beteiligten.

Foto 1: Flickr, Nana B Agyei (CC BY 2.0)
Foto 2: Flickr, Ed Yourdon (CC BY-SA 2.0)