Google+, Facebook und Twitter: Es kann nur einen geben

Bitte scrollen

Wir können nicht in die Zukunft sehen, aber immerhin die ersten Zeichen deuten. Und in diesen Tagen passiert viel hinter den Kulissen des Social Web. Google+ nimmt ganz langsam Fahrt im Netz auf, wie erste Beobachter berichten, könnten wir die Marke von einer halben Million Mitglieder bereits in der fragilen Invite-Beta-Phase geknackt haben. Das sind Peanuts verglichen mit den 700+ Millionen Facebook-Nutzern – doch es ist ein klares Statement.

Stellt sich die Frage, wie es weitergeht. Facebook ist aufgescheucht und übt sich derzeit in Zurückhaltung. Für Mittwoch ist die Präsentation einer „großartigen“ App geplant: wie es aussieht, wird Skype in die Plattform integriert, was eine Wahnsinnssache gewesen wäre, wenn Google dieses Feature mit „Hangouts“ nicht bereits frei Haus liefern würde. Zuckerberg ist spät dran, man hat sich auf dem Weg verzettelt. Bereits 2009 (!) berichteten wir, dass ein VoIP-Netzwerk für Facebook in den Startlöchern stehe. Wir sollten noch zwei Jahre länger darauf warten müssen.

Niemand hätte vor einem Monat vermutet, dass es tatsächliche eine reelle Chance geben könnte, dass Facebook in die Defensive geraten könnte. Nun aber ist es soweit. Wie Zuckerberg freimütig gegenüber Robert Scoble zugibt, habe er sich bereits um einen Google+-Account bemüht. Mit Google+ sind die Karten nicht neu gemischt worden: es sind neue hinzugekommen. Schon bald wird es reiches Biotop an Plattform-Features und Mobile-Apps geben; sobald der Suchriese die API freigibt, können Entwickler und Nutzer die Plattform so gestalten, wie es ihnen gefällt. Einiges wird uns von Facebook bekannt, anderes wird uns recht unbekannt vorkommen. Damit wird sich die Rivalität zwischen Zuckerbergs 2.0-Imperium und Googles Netzwerk langsam aber sicher zuspitzen. Beide Plattformen wildern bei der exakt selben Klientel: weder die eine noch die andere besetzt eine besondere Nische (etwa Musik, Film, Karriere usw.), was zwangsläufig zu einem Showdown führen muss. Beide Netzwerke können nicht parallel nebeneinander bestehen. Auch StudiVZ galt seinerzeit in Deutschland als unumstößlich etabliert – bis Facebook auftauchte und praktisch von einem zum anderen Moment die Dominanzverhältnisse kippten.

Konsoliderung nicht zu verhindern

Die Konsolidierung wird von drei Seiten aus betrieben: Zum einen haben die Nutzer kein Interesse daran, gleich zwei Netzwerke mit Content zu pflegen. Schon stehen die ersten Google+-Mitglieder vor dem Problem, wo Status-Updates zu posten und wo Kommentare zu beantworten sind. Der Nutzer will ein Netzwerk und zwar das, das ihm den besten Komfort und in manchen Fällen die größte Reichweite liefert. Die zweite Partei sind die Unternehmen, die in den vergangenen drei Jahren haben Milliarden springen lassen, um ihr Markenreich bei Facebook aufzubauen und Fans um sich zu scharen. Unternehmen folgen den Nutzern, denn das ist das Prinzip des Social Media Marketings. Wie man liest, plant Google bereits die Einführung von Fan-Pages, so dass auch hier ein bequemes Umfeld für das Big Business geschaffen werden kann. Sobald erste Unternehmen ihre Koffer bei Facebook packen, werden auch die Werbeeinahmen des Netzwerkes schwinden – Facebooks Lebensader für Gewinn aber auch Innovation. Die dritte Partei sind die Investoren, die Zuckerberg recht lange hingehalten hat (der Börsengang ist für 2012 geplant) und die ihre geplanten Transaktionen bereits gedanklich zurückpfeifen könnten. Die Investitionsfreudigkeit wird zweifellos mit steigender Popularität von Google+ sinken. Viele haben die DotCom-Blase noch vor Augen: ein zweites Mal fällt man auf megalomanische Bewertungen von Netzunternehmen nicht mehr herein. Dazu kommen bei Facebook hausgemachte Probleme, die etwa den mehr als löchrigen Datenschutz betreffen. Google ist auf dem Bereich zwar alles andere als ein Vorbild (StreetView-Affäre, AdSense-Targeting usw.), doch immerhin ist Google+ in dieser Hinsicht noch nicht vorbelastet. Anders ausgedrückt: auch das politische Umfeld kann bei den Investoren Berücksichtigung finden.

Und was ist mit Twitter? Ja, eine gute Frage. Twitter ist in diesem Zweikampf nur indirekt beteiligt. Auch wenn die Zielgruppe identisch ist, so hat das Netzwerk seine Nische doch in der Form der Kommunikation gefunden: ein Limit von 140 Zeichen – auf die Idee muss man erst einmal kommen! Doch verglichen mit den beiden Big Bosses ist Twitter nur ein kleines Licht, das – oh, Weh! – zudem auch noch von Google abhängig ist. Schon 2009 schrieb das Unternehmen zur Überraschung aller Beobachter schwarze Zahlen, jedoch nur, weil Google Geld hineinpumpte. Im Gegenzug erhielt die Suchmaschine Zugriffsrechte für den Echtzeit-Stream, den sie dann im Index integrieren konnte. Wie passend, dass dieser Kooperationsvertrag vor zwei Tagen ausgelaufen ist (übrigens: ob Bing noch an Bord ist, kann ich derzeit nicht feststellen). Wie man erfährt, habe Google kein großes Interesse daran, die Realtime-Suche mit teurem Twitter-Content zu füllen, man habe ja jetzt etwas Eigenes:

Our vision is to have google.com/realtime include Google+ information along with other realtime data from a variety of sources.

Für Twitter dürfte damit eine große (die größte?) Einnahmequelle wegfallen. Nur zur Verdeutlichung der Größenordnung: Google hat MySpace jahrelang durch kostspielige Suchkooperationen im Musiknetzwerk durchgefüttert – ein Milliardendeal.

Twitter wird also in den kommenden Monaten zusehends auf eigenen Beinen stehen und neue Monetarisierungsmodelle durchdrücken müssen. Wie sehr man den Druck von außen bereits spürt, zeigt eine neue Rüge der FTC, in der Twitter vorgeworfen wird, den Wettbewerb (etwa die Client-Entwickler) in unfairer Weise zu behindern. Twitter muss um jeden Preis die Nutzer wieder zurück in die eigenen Kanäle holen: also entweder in die hauseigenen Clients oder in das Webinterface. Nur so können Werbegeschäfte ungehindert ausgeführt werden.

Wie wir sehen, bleibt es spannend und noch gibt es keinen klaren Gewinner in dem Rennen. Warten wir mal ab, was Facebook Mitte der Woche aus dem Ärmel zaubert. So lange der Wettbewerb anhält, profitieren ja immerhin wir Nutzer, die wir uns bequem zurücklehnen können, während sich die großen Netzwerke eine Innovation nach der anderen um die Ohren hauen.