Ich verlasse Basic Thinking

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Ich habe lange darüber nachgedacht, ehe ich den Entschluss fasste. Und noch länger darüber, wie ich ihn formuliere. Doch letzten Endes ist es ganz einfach: Ich verlasse Basic Thinking zum 30. Juni. Lasst mich die Entscheidung ein wenig erklären.

Am Abend der Auktion, am 15. Januar 2009, bekam ich einen Anruf aus Hürth bei Köln. Serverloft – beziehungsweise die Muttergesellschaft Intergenia AG – hatte bei Roberts Versteigerung den Zuschlag bekommen. Ich machte mir ein Kölsch auf und gab über den Hörer orthografische Tipps bei der Gestaltung der Pressemitteilung. Noch in der Nacht machte ich Trockenübungen, am nächsten Morgen wurden wir ins kalte Wasser geworfen. Von Anfang an war klar, dass wir keinen Robert 2.0 bieten konnten – und wollten. Wir versuchten kurze Posts, klassische News-Beiträge, Intellektuelles, Boulevardeskes, dann Persönliches. Neben der Sondierung des Stils machten wir uns auf die Suche nach unserer inhaltlichen Nische. Die Kollegen aus den Deutschen Blogcharts machen – damals wie heute – einen erstklassigen Job, also stand es außer Frage, hier zu wildern. Wir brauchten etwas Eigenes.

Nach einigen Wochen bekam ich die ersten Zahlen auf den Tisch, die mir zeigten, dass wir auf dem richtigen Weg waren. Wir forcierten die eingeschlagene Richtung. Wenn wir bei der Themenjagd fündig wurden, fungierte die Quelle als Steinbruch. Man kann ruhig das Fenster danach schließen – es bringt auf lange Sicht nichts, das Gelesene in eigenen Worten wiederzugeben oder einfach nur einen Link darauf zu platzieren. Auf Basic Thinking schrieb ich einmal über die Idee dahinter:

Blogger sollten niemals vergessen, dass sie ein eigenes Publikum besitzen – so groß oder klein es auch sein mag. Und das hat Anspruch auf eine zielgruppengenaue Ansprache. Das bedeutet nichts anderes, als dass das Thema von immer neuen Perspektiven beleuchtet werden muss: Worum geht es überhaupt? Wieso ist es so und nicht anders? Könnte es anders sein? Was halte ich als Autor davon? Was bedeutet das für den jeweiligen Leser und wie kann er am Besten davon profitieren? Und was hält er davon?

Die Erklärung eines neuen Dienstes wie beispielsweise Google Wave sollte für Business-Leute anders ausfallen, als für Schüler, für Internetneulinge, Bastelexperten, Journalisten, für Angelvereine.

Heute, anderthalb Jahre später, haben sich die Zugriffszahlen von Basic Thinking verdoppelt (mich persönlich freut auch die positive Bilanz der jeweiligen Verweildauer der User). Innerhalb der ersten drei Monate gewann das Blog 1.600 Follower – heute sind es über 7.650 Nutzer, die sich täglich über Twitter mit Links und Infos versorgen. Zudem haben sich mehr als 2.550 Fans der neuen Facebook-Seite angeschlossen. Gemeinsam mit Spreeblick teilen wir uns abwechselnd den dritten Platz in den Deutschen Blogcharts. Es gibt über 26.000 Feed-Leser. Wir werden in klassischen Medien zitiert, geben Interviews und erhalten Einladungen von großen Unternehmen, um im Social Media-Metier hier und da Starthilfe zu geben. Die Vermarktung des Blogs ist angelaufen (zugegebenermaßen mit einigen Irritationen), erste Werbeformen sind erprobt, weitere Refinanzierungsmaßnahmen sind im Köcher und der Designer hat bereits einige vielversprechende Entwürfe für das lang erwartete Redesign vorgelegt.

Warum also die Koffer packen und abhauen? Ich bin seit 2007 Redakteur bei onlinekosten.de. Zuvor habe ich jahrelang als Journalist, Werbetexter und Übersetzer gearbeitet. Ende der Neunziger schmuggelte ich mich als 19-Jähriger in einen Kölner Verlag: „Sie sind Student, richtig? Wir haben nur Jobs für Studenten.“ Ich überlegte kurz und sagte: „Ja.“ Ich wollte unbedingt schreiben. Zwei Tage später hatte ich die erste Abiturprüfung. Seitdem habe ich als zufällig anwesender Journalist den Schlagergroßvater Günter Wewel („Kein schöner Land“) in seiner Heimatstadt Arnsberg verunglimpft, dichtete mittelalterliche Copy-Texte für den größten Produzenten im Kettensägenmarkt (Kampagne: „Ein Spektakulum!“), dachte mir Claims für den HiFi-Spezialisten Onkyo aus, konzipierte einen „Life-Planner“ für eine Düsseldorfer Agentur, portraitierte auf 480 Zeichen über Tausende Websites („Internet-Telefonbücher“ – so etwas gab es damals noch!), testete Freeware für ein Münchener Portal, schrieb einen Englisch-CD-Sprachkurs für Aldi (4,99 Euro), versorgte die News-Sparte von Adzine mit Beiträgen, übersetzte ein Matheprogramm, war Co-Autor beim Ratgeber „Deutsch für den Beruf“, dazwischen schrieb ich Filmrezensionen und Satire-Geschichten, redigierte als studentische Hilfskraft die Köln-Krimis meines Professors, baute und textete Websites für mehrere Event-Agenturen, schrieb für einen US-Publisher Erotik-Stories, konzipierte einen Reise-Flyer für Midlife-Crisis-Herren („Reif für die Insel“), übersetzte psychedelische Werbebotschaften einer Modekette und besorgte die technische Dokumentation für einen Hersteller, der Roboter baut, welche die von Hitze verbogenen Rohre von innen wieder gerade biegen.

Kurzum: Ich stand nun mehr als zehn Jahre an der Text-Front. Mit Basic Thinking hat sich dieses Karussell rapide beschleunigt. Die Arbeit auf dem Blog war intensiv, Stress und ordentlich Überstunden waren an der Tagesordnung, dazu kam der knappe pekuniäre Ausgleich – doch es hat wahnsinnig Spaß gemacht. Wie oft kommt es im normalen Berufsalltag schon vor, dass man die Dame der CeBIT-Halleninspektion mit dem Angebot eines seriösen Interviews überraschen darf? Dass man von Lesern ein gigantisches Ölgemälde als Geschenk überreicht bekommt? Dass an einem späten Freitagabend der polternde Protest von Google Deutschland kommt, man würde hierzulande „Anti-Google-Stimmung“ verbreiten, weil man zuvor kritisch über Street View berichtet hatte? Oder dass man einem ZDF-Kamerateam in aller Breite erklären darf, was an Zensursulas Plänen faul war?

Ich habe mich dazu entschlossen, das tagesaktuelle News-Geschäft Basic Thinking zu verlassen und für eine unbestimmte Zeit die Seiten zu wechseln. Den Betreiber und die Kollegen habe ich bereits über meine Absichten informiert. Das Blog ist auf dem besten Weg, die Zahlen und das Leserfeedback stimmen und was noch viel wichtiger ist: in Hürth sitzt ein hochmotiviertes Team erstklassiger Redakteure (die Freien eingeschlossen), die ihren Job ernst nehmen und Basic Thinking als das sehen, was es ist: eine Herausforderung, die jeden Tag gemeistert sein will.

Ich habe in der Vergangenheit das eine oder andere Angebot bekommen, das ich mir nun in aller Ruhe durch den Kopf gehen lasse (weitere Angebote sind natürlich gerne gesehen). Meine Promotion an der Universität Köln wartet ebenfalls auf eine verstärkte Beachtung. Dazu sind in den vergangenen Monaten auch Ideen für eigene Projekte entstanden. Werde ich weiterhin bloggen? Ja, das habe ich vor Basic Thinking getan und werde es auch danach noch tun. Es gibt Entwicklungen in der Welt, die kann man gar nicht unkommentiert stehen lassen. Doch jetzt gönne ich mir erst einmal eine kleine kreative Auszeit. Ich danke all den Lesern, die uns die Treue gehalten haben und weiterhin halten, für ihre Kommentare und die Kritik sowie Robert für den Support. Und natürlich den beiden Teams von onlinekosten.de und Basic Thinking. Macht weiter so!

35 Kommentar

  1. Wirklich schade André, dass Du Basic Thinking verlassen wirst!
    Ich war nie ein großer Fan von Basic, und dem „Ur-Basic Thinking Blog“, aber mittlerweile ist BT zurecht eines der besten & informativsten Blogs in der deutschen Blogosphäre – dafür vielen Dank!
    Wirklich unglaublich, wieviel Gas ihr gegeben habt, kein Wunder, dass Du nach knapp 18 Monaten an vorderster Tech-Berichterstatterfront nen kleinen Burnout hast & ne kleine kreative Auszeit brauchst 🙂
    Ich wünsche Dir weiterhin viel Erfolg, und bin schon gespannt, wo Du nach Deiner Auszeit wieder auftauchst 🙂

  2. Schade! Ich lese zwar nie regelmäßig BT – fand es teilweise immer sehr anregend und auch kontrovers – aber habe es eigentlich immer mit dir verbunden. Meine damalige Skepsis, dass BT sterben wird, habt ihr eigentlich recht schnell aus der Welt schaffen können.

    Ich drück dir die Daumen für deine Promotion und deine Jobsuche!

  3. Kreative Auszeit ist immer gut 🙂
    Natürlich ist es bitter für basic-thinking, aber die werden sich da schon durchwurschteln. Bei der Auflistung dessen, was Du bereits gemacht hast, musste ich am Ende schwer ausatmen, weil ich irgendwann mittendrin die Luft angehalten habe und es dann kein Ende gab. Respekt.
    Fang doch an Bilder zu malen – dann wird die Auszeit zur Aussicht 🙂
    Alles Gute

  4. Ja, wirklich schade! Die besten Wünsche und viel Erfolg bei deiner Schaffenspause und denn kommenden Projekten.

  5. … dann mal alles Gute, lese BT zwar erst seit kurzem und dann auch meistens nur kritisch 🙂 aber trotzdem alles Gute für die neue Herausforderung

  6. Wenn es nicht mehr geht und man den Drang hat, etwas anderes zu tun, dann halte ich dies auch für die richtige Entscheidung. Ich gehöre auch zu den regelmäßigen Lesern von BT und bin der Meinung, dass ihr einen großartigen Job macht. Letzten Endes ist es so besser, als dass es dir irgendwann auf die Nerven geht und man die Stelle im Streß verlässt. Ich denke aber das restliche Team wird auch weiterhin gute Arbeit leisten. Ich wünsche dir auf jeden Fall viel Glück und bin gespannt, was bei dir als neue Aufgabe kommt.

    Gruß Torsten

  7. Hallo André,
    wirklich schade. Danke für die letzten Monate in denen Du aus Basic Thinking weitaus mehr gemacht hast als Robert die ganzen jahre davor.
    Kann verstehen dass man nach der Schlagzahl, die Du an den Tag gelegt hast irgendwann seien schöpferische Pause braucht um die Akkus wieder zu füllen.

    All the best,
    Marcus

  8. Krass. Wie alt bist Du? 50?
    Im Ernst: Schade, dass man Dich bei BT nicht mehr lesen wird. Für die Zukunft alles Gute, da mach‘ ich mir aber keine Sorgen 🙂

  9. großes Kompliment für Deinen Einsatz bei BT!!! Ich fand das, was Du zusammen mit dem Team daraus gemacht hast, sehr beachtlich und zugleich vorbildlich für Dritte.

    Was auch immer Du zukünftig tun wirst, ich wünsche Dir den gleichen Elan und Esprit, den Du bisher an den Tag gelegt hast, als Mensch, nicht bloß als Blogger und Angehöriger der schreibenden Zunft.

    Und viel Spaß wie auch Freude während Deiner jetzigen Phase.

    Robert

  10. Schade aber das Rad der Zeit dreht sich eben immer weiter und bringt Veränderungen. Viel Glück bei allen neuen wie alten Vorhaben wünsch ich Dir.

  11. Hi André,

    natürlich wünsche ich dir – auch auf diesem Wege – alles Gute für die Zukunft. Wie die anderen vor mir bedauere ich es, dass du BT verlässt, allerdings aus anderen Gründen. Zum einen, weil ich einen ausgezeichneten Mentor und tollen Kollegen verliere. Und zum anderen, weil ich einen Freund verliere. Zumindest früher oder später, wenn dich dein Weg aus Köln hinaus in die große, weite Welt führt. Das ist der wahre Verlust für mich. Aber bis es soweit ist, werden hoffentlich noch einige Kölsch die Kehlen runterfließen.

    In diesem Sinne, Apple-André, alles Gute!

    Marek

  12. Habe die Artikel von A.Vatter sehr gerne gelesen. Waren gut und mit viel Herzblut geschrieben. Scheinbar gab’s nie eine Motivationskrise bzw. merkte man nie was von einer. Stets gute Geschichten, gut verlinkt, gute Einschätzungen -daher braucht’s einem wie A.Vatter vor der Zukunft nicht bange sein. Glückwunsch zu einem erfolgreich abgeschlossenen Lebensabschnitt und alles Gute für die Zukunft.

  13. Danke für den Artikel, André. Meine persönlichen an Worte an Dich hast Du ja schon per Mail bekommen. Aber auch hier will ich Dir nochmal sagen, dass es unglaublich schade ist, dass Du nicht mehr an Bord bist. Wenn irgendwas absolut keinen Sinn mehr für einen ergibt, dann muss man sich davon lösen. Das ist oft unheimlich schwer, aber für mich ohne Alternative. Wer das dann – wie Du – so konsequent durchzieht, wird auch ebenso konsequent seinen Weg weiter gehen.
    Und egal, wo Du zukünftig Deine gewohnt hohe Qualität abliefern wirst: Sieh zu, dass Du auch „pekuniär“ ordentlich dabei wegkommst 😉
    Erst einmal alles Gute für Dich – und wir bleiben natürlich in Kontakt 🙂

  14. Ja, schade. Ich habe deine Artikel wirklich sehr gern gelesen und empfand auch den Inhaber-Wechsel als ziemlich gut gelungen. Jeder hat halt seinen eigenen Schreibstil. Mal sehen, ob diese Lücke, die du hinterlässt, gefüllt werden kann.

  15. Ich halte diese Entwicklung für arg traurig, da ich deine Artikel richtig gut fand.

    Ich wünsche dir viel Erfolg wohin es auch immer gehen sollte.

    p.s. Damit hat @avatter einen neuen Follower und vielleicht liest man so oder so mal wieder einen Blog v. dir.

    Hab Spaß!

    Danke!

    🙂

  16. Schade dass Du gehst! Ich habe Deine Artikel bei Basic Thinking immer sehr geschätzt … Wünsche Dir weiterhin viel Erfolg!

  17. Schade.. das Team vom Ideen-Manager.de sagt „Danke“ für die tollen Beiträge!
    Wir wünschen Dir viel Erfolg & alles Gute!!

  18. Hi André,

    jedes Ende ist zugleich ein neuer Anfang. In diesem Sinne viel Erfolg bei was und wo auch immer 😉 Basic Thinking wird sich ohne dich verändern – trotz guter Kollegen im Hintergrund.

    Bis demnächst,

    Michael

  19. Sehr schade, da verliert BasicThinking einen echt Klasse Autor! Ich wünsche dir viel Glück für deine weitere Laufbahn! 🙂

  20. Schade, werde Dich bzw. Deine Artikel bei BT vermissen. Und ich bin mir sicher, auch BT wird Dich vermissen, denn mit Dir geht der m.E. beste Redakteur von Board. Deine Artikel waren gut recherchiert, thematisch interessant und auch relevant. Mal sehen, wie BT das verkraften wird…

    Dir alles Gute fuer die Zukunft!!

    Gruss aus Shanghai…

  21. Hallo André,

    ich habe den Artikel erst vor Tagen zu Gesicht bekommen und wollte mich noch einmal von dir verabschieden. Du warst bei Basic Thinking IMHO ein sehr guter Blogger und du hast auch immer gut Kritik ausgeübt, wenn es das geben sollte, bzw. hast immer zwei Seiten gezeigt.

    Du hast ein technisches Verständnis, das nicht von schlechten Eltern ist, hast redaktionelle Fähigkeiten, was man auch immer bei dir gemerkt hatte und du bist natürlich auch der Mann gewesen, der auf Augenhöhe mit Kritikern diskutiert hat und dadurch das Blog reizvoll gemacht hast. Die Qualität der Beiträge war sehr gut, inhaltlich, vom Grundgerüst her und so weiter. Man war direkt drin! Das mag ich am meisten an Bloggern, wenn man nicht drei Stunden heißen-Brei-Gelaber bekommt.

    Ich denke, dass deine Lücke bei Basic Thinking bald aufgefüllt wird, bzw. irgendwo auch durch Casi und Marek gut ergänzt wird. Dennoch meine ich, dass der Teil bei BT fehlen wird.

    Dennoch machst du ja weiter wodurch ich dir nur viel Glück, sehr viel Glück! und alles gute für die Zukunft wünschen kann 😉

    Gruß
    RavoxX / Tobi

    PS: Hab den Blog jetz mal in den RSS-Reader gehaun… kann ja nicht sein, dass ich nochmal was von dir verpass 😉

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