Wulff ist abgewählt

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Hat es der geneigte Leser mitbekommen? Nein. Tja, so kann es kommen – und doch ist unser Staatsoberhaupt tatsächlich abgewählt worden, gestürzt, in Ungnade gefallen. Selbst, wenn Reuters noch vor wenigen Stunden titelte, dass in der „Wulff-Affäre“ die „Ermittlungen weiter offen seien“ – in den Medien ist der Korruptionsverdacht im Schloss Bellevue mittlerweile Geschichte. Bei Bild.de ist er komplett von der Bildfläche verschwunden, der Tagesschau ist er egal, Spiegel Online begnügt sich mit einem letzten Satire-Abklatschen.

Zwei Themen haben stattdessen die Titelseiten erobert: Standard & Poor’s Entscheidung, Frankreich, Österreich und anderen EU-Staaten die Dekoration vom Revers zu reißen, um anschließend den gesamten Euro-Rettungsfond abzuwatschen. Und das Schiffsunglück an der Toskanischen Küste. Die Causa Wulff ist gegessen, gibt es doch nun ganz neue Spielfelder der Betätigung, in deren Rahmen man sich etwa fragen kann, was Rating-Agenturen heutzutage überhaupt leisten und ob wir uns das gefallen lassen müssen. Oder das Rätselraten um den unfähigsten Kapitän der Welt, der leichtfertig das Leben hunderter Touristen riskiert hat. Nebenbei gefragt: Hat der Boom-Sektor der Kreuzfahrten die ganze Zeit auf Kosten der Sicherheit gewirtschaftet?

Eine Entwicklung, in der es ein Bundespräsident schafft, die Bevölkerung mutwillig zu täuschen, die Medien per Drohgebärde einzuschüchtern und dabei weiter vergnügt im Amt herumdilettieren kann, zeigt zwei Dinge ganz deutlich:

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  1. Aussitzen ist zeitlos. Wer genug Sitzfleisch mitbringt, um seelenruhig inmitten der Aura der Unnahbarkeit bei zugezogener Jalousie im Haus verharren zu können, während draußen die Demonstranten Abtrittsgesuche skandieren, braucht keinen Krisenberater. Nur einen Kalender, in dem er eine Monatsfrist markiert.
  2. Unerfüllte Medienmacht macht Medien machtlos. Wenn Medien ein spezifisches Thema auf der Hüpfburg der Titelseiten tage- und wochenlang herumtragen, ohne, dass dabei etwas realpolitisch passiert, verlieren sie sich hoffnungslos im Detail. Die Folge? Langeweile beim Leser. „Selbstgefälligkeit!“, „Hybris!“, „Nachtreterei!“ – werfen sich nun die Branchenvertreter gegenseitig vor. Das Schöne für die Medien: Zumindest besorgen die Aufräumarbeiten noch zwei, drei Artikel dazu, damit die Affäre Wulff nicht ganz so sang- und klanglos in die Truhe gelegt werden muss.

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