Es klang vielversprechend, als die Einladung der Deutschen Bahn AG kam. Angeboten wurde ein Treffen in illustrer Hamburger Runde, bei dem der Status Quo der bisherigen Social Media-Aktivitäten der Deutschen Bahn (mehr darüber) und des Deutsche Bahn Konzerns besprochen werden sollte. Außerdem wurde eine Überraschung angekündigt: eine neue Kampagne mit dem Namen „Die Welt der DB“, bei der es um die „Entdigitalisierung“ der Unternehmens-Fanpage und das „echte Leben“ gehen sollte.
Der Hintergrund ist schnell erklärt: Die Deutsche Bahn hat als Unternehmen ein Problem. Für viele Kunden und potentielle Arbeitnehmer ist der Konzern ein intransparenter Klotz. Wenn die Bahn in den Medien erscheint, dann eben mit den Themen „Preiserhöhung“, „Verspätung“ und „Klimaanlagen“ – dass der Laden seinen eigenen Strom für den Betrieb des Tagesgeschäfts produziert und die eine oder andere weitere Innovation vom Stapel lässt, kippt da häufig in den Hintergrund. Und es interessiert auch wirklich keinen Otto-Normal-Bahnreisenden. Wie kann man also die Bahn für Interessierte öffnen?
Die Lösung des Konzerns hat viele Anwesende am Tisch irritiert: eine Bahn-Miniaturwelt! Ab dem 15. August werden Nutzer einen Monat lang angehalten, Ideen für eine winzige DB-Landschaft einzureichen, die im Berliner Loxx (ein Miniaturland) realisiert werden soll. Unter dem Motto „Unterhaltung, Kommunikation, Kreativität“ sollen alle Interessierte Vorschläge abgeben, wie Bauprojekte, Szenen oder DB-Details in Klitzeklein abgebildet werden können. Das Unternehmen filmt die Arbeiten, strahlt Making-Of-Videos aus und postet regelmäßig Bilder über den Fortschritt.
Noch einmal: Es geht um Modelleisenbahnen! Und bevor noch mehr Fragen aufkommen, kommen wir lieber zu den Fragen:
Kann ich die Augenbrauen wieder herunternehmen, bevor wir anfangen?
Natürlich.
Okay, was kann ich gewinnen?
Langsam, langsam. Dazu kommen wir später.
Und wann geht es mit dem Shitstorm los?
Auch hier würde ich mich noch in Geduld üben, denn tatsächlich ist der Einfluss der Community gedeckelt. Zwar können Ideen eingereicht und upgevotet werden, jedoch entscheidet am Ende eine DB-gefärbte Jury (der unter anderem Rüdiger Grube angehört) über die finalen Gewinner. Ob Stuttgart21, Oberleitungsschäden, ausgefallene Züge und sauertöpfisches Personal dazu zählen, lasse ich an dieser Stelle dann mal offen. Nach eigenen Angaben will die Bahn aber auch derlei Ideen aufgreifen, um sie von ihrer Seite noch einmal transparent darzulegen.
Wer ist überhaupt die Zielgruppe der Kampagne?
Gute Frage! Allgemein gesagt: alle. Speziell ausgedrückt: abgefahrene Bahnfans. Die Definition der Zielgruppe gestaltet sich ein wenig schwierig. Man hofft insgeheim auf den Buzz und viel Engagement im Fahrwasser. Der Rest findet sich.
Angenommen, ich wollte Ideen einreichen: Wo mache ich das?
Ab dem 15. August wird ein Kampagnen-Tab auf der Konzern-Fanpage freigeschaltet. Hier können Vorschläge dann optional mit Bildern oder Videos und unter Angabe von Namen und Mail-Adresse hinterlassen werden.
Werd doch mal konkreter! Modelleisenbahnplattenideen oder was?
Eigentlich ja. In den vorab lancierten Screenshots werden einige Beispiele genannt: „Tunnelbohrmaschine bohrt sich durch nen Berg für ne neue Bahnstrecke“, steht da. Oder: „Ankunft am Bahnhof mit großem Wiedersehen“
Was ist, wenn ich gar keinen Faible für Mini-Eisenbahnen habe?
Ja.
Dürfen Bahn-Mitarbeiter an der Aktion teilnehmen?
Da sich die meisten Bahn-Fans wohl in der Bahnbelegschaft wiederfinden, hat der Konzern beschlossen, den Mitarbeitern die Teilnahme zu erlauben.
Ich bin Miniaturfan! In welchem Maßstab will die Bahn die Szenerie nachbauen?
1:87. Get a life.
Okay, jetzt aber: Was kann ich gewinnen?
Der Lohn ist eher ideologisch: Eines von fünf täglich verlosten Gratistickets für das Loxx. Außerdem werden die Vorschlagsgewinner mit der Realisierung ihrer Idee beglückt.
Die machen ernsthaft eine Aktion, bei der die sich selbst verpflichten, meine Kritik mit Plastikmännchen nachzubauen?
Unter Umständen: ja. Wenn der Jury deine Kritik miniaturwürdig erscheint.
Kann man sich das Ganze später auch noch mal ansehen?
Sicher. Entweder im Berliner Loxx oder im Netz, wo die Bahn die Kampagne in Bild und Ton begleiten wird.
Wer sitzt jetzt noch einmal in der Jury?
Wenn ich mich recht erinnere, werden es fünf Personen sein. Neben dem DB-Vorstandsvorsitzenden Grube unter anderem auch ein Promi und ein eingefleischter Bahnfan, der aus der Community kommt.
Wenn die Deutsche Bahn sich als progressiv-innovatives Unternehmen präsentieren will, sind da dann Modelleisenbahnen nicht ein wenig zu muffig?
Das war mein erster und letzter Gedanke zur Aktion. Aber wer weiß, wie die Nutzer ticken…
Wer ist am Ende der Profiteur der Kampagne?
Loxx und Märklin. Vielleicht auch die Deutsche Bahn.
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Disclaimer: Ich bin mit der Deutschen Bahn weder verwandt noch verschwägert; noch habe ich sonst irgendwelche Zuwendungen für meine Mitarbeit oder diesen Blogpost bekommen.
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10 Kommentar
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Shitstorm in 3…2…1…
Beitrag gelesen und wieder vergessen, weil unwichtig da nur PR!
Du findest, ICH hätte PR für die Bahn gemacht? 😀
SO kann man Probleme auch „kleinreden“ bzw klein halten.
Unter diese Idee der Deutschen Bahn würde ich ein grosses Fragezeichen stellen. Wer beschäftigt sich denn mit Miniaturausgaben von Bahn und Landschaft. Im Grunde genommen doch nur jene, die ohnehin schon Interesse an der Bahn ob im Kleinformat oder der Realität haben. Interesse soll doch aber bei denen geweckt werden, die mit der Bahn bis heute nichts anfangen konnten oder wollten, weil sie andere Verkehrsmittel bevorzugen oder bereits negativ gegenüber der Bahn eingenommen sind. Um diese Klientel zu animieren auf die Bahn umzusteigen muss schon etwas mehr kommen.
Keine besonders spannende Idee von der Bahn, macht aber nichts, schaue mir gerne Modellbahnen an. Aber wenn so PR-Arbeit für die Bahn aussehen würde, würde es noch schlechter um das Image stehen 😉
Ach herrje 🙂
Habe vergleichbares schon Mitte der 80er Jahre im BW Hamm 1 gesehen, damals ging die Initiative von Azubis aus. Familienmitglieder und Freunde der Azubis sollte Vorschläge einreichen, was dargestellt und auch dabei erklärt werden soll. Es wurde dann im Maßstab 1:45 (H0) gebaut.
Allerdings frage ich mich gerade, ob eine solche Aktion „erfolgreich“ sein kann. Und an welchen Maßstäben wird der Erfolg denn gemessen?