Das Schweigen der Deutschen Telekom

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telekom-schweigenSchade. Echt schade. Da war man mal wer, jemand, zu dem die anderen aufsahen, der um Rat gebeten wurde und selbst in der Community ein gewisses Ansehen angesichts der augenscheinlichen Innovationsfreude genoss – und jetzt ist alles im Arsch. Ich will mich an dieser Stelle gar nicht mehr mit dem Gegenstand „Telekom vs. Netzneutralität“ auseinandersetzen. Das haben andere getan und tun es noch, denn es ist wichtig, die Protestflamme am Lodern zu halten. Viel lieber möchte ich mich der Kommunikation des Konzerns widmen, der seit der Bekanntgabe der Drosselpläne am 22. April 2013 in der schwarzen Versenkung verschwunden ist. Die Deutsche Telekom schweigt.

Während unablässig der Scheißeregen auf die Fanpage und den Twitter-Account des Unternehmens prasselt, fährt die Telekom die Strategie der bedingungslosen Nullkommunikation. Nichts dringt nach außen, nichts dringt herein. Zehntausende Kommentare und Anfragen bleiben unbeantwortet liegen – „das ist halt dann so“. Im vorigen Jahr hieß es noch:

Wir wollen eine offene und transparente Kommunikation mit unseren Kunden führen. Wir begegnen unseren Kunden auf Augenhöhe. Für ‚Telekom hilft‘ sind Empathie und Zuhören die wichtigsten Vorgaben für den Kunden-Dialog. Daher sehen wir als Chance an, mit diesem Medium in der Öffentlichkeit zu stehen und so unsere Kunden-Community in den kommenden Jahren nachhaltig aufzubauen.

Davon ist jetzt nichts mehr zu spüren, die Hardliner der Pressestelle haben übernommen und zeigen, dass Kommunikation im Web das ist, was sie schon immer von Kommunikation im Web hielten: ein Wischiwaschi der Kundenbindung, nicht mehr als ein Image-Gag. „So einige Tage Medienaufregung sollte man schon aushalten können“, sagte Pressesprecher Blank dazu schulterzuckend im Radio. Die Wut der Kunden versteht er als Resultat einer völlig unangemessenen Medienhysterie und überhaupt sei das alles dem Vorwahlkampf der Parteien geschuldet: warum überhaupt die Aufregung? Sein Noch-Chef René Obermann schlug in dieselbe Kerbe und schleuderte Wirtschaftsminister Philipp Rösler einen pampigen Brief öffentlich entgegen (Tonus: „Boah, Sie haben ja mal sowas von keine Ahnung; ich weiß nicht, wie ausgerechnet Sie Minister geworden sind.“). Und nun – zuletzt – gewährte Deutschland-Chef Niek Jan van Damme der Springer-Presse eine exklusive Audienz, die sogleich artig und zudem komplett auf Unternehmenslinie eine fade FAQ-Liste zum Fall Drosselkom abdruckt.

Ein den Kunden aufoktroyierter Rückschritts-Bullshit wühlt eben auf

In diesen Tagen kommt in den Nutzern das Gefühl auf, das sie nur zu gut von früher her kennen: die komplette Entmachtung als Kunde, gefangen in Zwei-Jahres-Verträgen, werden sie nun zu Zeugen halbherziger Rechtfertigungsversuche degradiert, die noch nicht einmal an ihre Adresse gehen. Man spricht nicht mit ihnen, sondern maximal über sie. Wer bislang der Meinung war, dass er bei der Telekom Dank der Öffnung zum Social Web an einem Prozess beteiligt war, tatsächlich mit Vorschlägen und Kritik gehört wurde, merkt nun, dass er eigentlich einer grotesken Scharade erlegen war. Denn nun, da es brenzlich wird, da die Deutsche Telekom tatsächlich einmal Mut und Verstand hätte beweisen können, zieht sie den Schwanz ein.

Ganz ehrlich? Es ist nicht davon auszugehen, dass der Konzern in diesen Tagen noch eine andere Wahl hat, als die Klappe zu halten. Doch daran ist er selbst schuld. Die Pläne zur Drosselkom waren keine sachlichen Reformen, sondern ein den Kunden aufoktroyierter Rückschritts-Bullshit – verbunden mit absehbar vielen Emotionen. Jeder Achtzigjährige mit Internetführerschein (VHS) hätte vermuten können, dass der Schritt zur Netzaufspaltung großen Unmut hervorrufen würde, doch die Telekom wirkt bis heute völlig unvorbereitet. Wäre das Unternehmen das Unternehmen gewesen, als das es sich gerne selber sieht, wäre früh ein Maßnahmenkatalog erarbeitet worden: Wie kommunizieren wir unsere Pläne? Können wir Nutzer für die Probleme des Breitbandausbaus irgendwie sensibilisieren? Wie können wir eine öffentliche Debatte über das komplexe Thema der Netzneutralität anstoßen? Man hätte Kunden (und wo wir schon einmal dabei sind: auch die Politik) in die Entscheidungsfindung mit einbeziehen, das Terrain sorgfältig vorbereiten können. Vielleicht sind ja auch noch völlig andere Wege möglich? Vielleicht stemmen wir ja den Breitbandausbau/vorgegebene Profitmodelle/den Muttertag mit Hilfe der Kunden? Gemeinsam, weil – hey! – immerhin sind sie es ja, die für den Kohlefluss sorgen. Man hätte es sogar in Erwähnung ziehen können, (in Zusammenarbeit mit der Community) experimentelle Freiwilligenmodelle für Poweruser zu entwickeln.

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Doch statt pädagogischem Gespür und dringend nötigem Empathievermögen bewies die Presseabteilung, dass sie in den vergangenen Jahren nichts, aber wirklich gar nichts dazu gelernt hatte und spuckte stattdessen eine Mitteilung mit dem simplen Titel „Telekom ändert Tarifstruktur fürs Festnetz“ in die Welt und zog danach trotzig den Kopf ein. Kommunikation 1.0 par excellence.

Der alte Watzlawick-Spruch, dass man nicht nicht kommunizieren kann, bewahrheitet sich wieder einmal: „Ihr geht uns am Arsch vorbei!“ – „Na, dann wechselt doch, ihr Weicheier!“ – „Es ist uns sowas von egal, was ihr über unsere Pläne denkt!“ – das sind die Botschaften, die die Deutsche Telekom aus verharrter Stille sendet: völlig unbeeindruckt von Fragen, der allgemeinen Kritik oder einer Petition mit über 150.000 Unterzeichnern.

Ein aktiver Dialog auf Augenhöhe – das wäre es gewesen! Denn tatsächlich gibt es einiges in Sachen Breitband, über das sich im Jahre 2013 trefflich streiten ließe. Schade, schade, liebe Telekom. Schade um den ausbleibenden Diskurs, den Image-Verlust. Und verdammt schade für eure offenen und transparenten Bemühungen im Social Web, die ich bislang gerne gelobt habe.

9 Kommentar

  1. „Scheißeregen“ finde ich klasse. Shitstorm ist doch schon etwas inflationär. Schöner Post.
    Viele Grüße aus Düsseldorf
    Marcus

  2. /*Sign*/
    Trifft sehr gut zu!
    Allerdings frage ich mich, ob es in der gegenwärtigen Internetkultur, (bei der jeder, der klüger als eine Karotte ist, nicht nur eine Meinung hat, sondern diese auch kundtun will) sinnvoll ist eine offene Diskussion mit einem Pöbel auf „Augenhöhe“ zu führen. Da könnte die Telekom mit beliebig intelligenten Argumenten daher kommen, es würde im Geschrei der zornig Tippenden Meute untergehen.

  3. Ja, da kommt dann die alte Behörde durch. Vielleicht ist es in der Telekom noch nicht angekommen, dass die Kundenbindung per erlass nicht funktioniert…

    (Übrigens: Ein Brief mit Tonus wäre merkürdig, denn wo will ein Brief Muskelspannung haben – da habe ich dann doch lieber Tenor gelesen, das passt besser)

  4. Hi André,
    Dein früheres Lob haben wir gerne genommen, und Deiner heutigen Kritik stellen wir uns natürlich auch. Übrigens nicht nur Deiner, um damit gleich zum Punkt zu kommen. Dass wir schweigen, gar eine „bedingungslose Nullkommunikation“ fahren, kann ich beim besten Willen nicht erkennen. Facebook, Twitter, Blog – wenn Du Dich da mal umschaust, wirst Du sehen, dass wir nun wirklich nicht schweigen. Und dass wir mit den Menschen reden. Es stimmt auch nicht, dass wir nur eine Mitteilung ins Netz gepackt haben, und das war’s dann. Bereits einen Monat bevor (!) die von Dir angeführte Medieninformation veröffentlicht wurde, haben wir uns im Blog.Telekom zu diesem Thema geäußert: http://blogs.telekom.com/2013/03/22/neue-spielregeln-fuer-dsl/ Und, wenn Du mal unter den Beitrag schaust, eine ganz ordentliche Diskussion zum Thema geführt. Die Stimmen aus dieser Diskussion sind übrigens bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt worden. Kannst Du auch im Update zu dem Beitrag lesen. Wir haben an allen Fronten versucht, die sehr emotionale Diskussion etwas zu versachlichen, und an manchen Stellen ist uns das auch gelungen. Und dass wir die Petition ignoriert hätten, kann ich auch nicht erkennen: https://twitter.com/deutschetelekom/status/329959451333378048 Ich will gar nicht abstreiten, dass man bei einer Diskussion diesen Ausmaßes auch manche Dinge anders, vielleicht besser machen könnte. Aber Du suggerierst auch durch einige der in Deinen Beitrag eingebauten Beispiele, dass man als Unternehmen auf jede Nonsens-Frage oder Beleidigung antworten müsste. Der Meinung bin ich nicht. Und ich glaube, dass auch Du nicht dieser Ansicht bist. Das bringt nämlich niemanden weiter. Darum haben wir versucht, zu versachlichen. Und das halte ich nach wie vor für richtig.
    Viele Grüße nach Hamburg
    Andreas

  5. Hi Andreas, danke für dein Statement.
    Leider kann ich seitens der Telekom in dieser Sache zu keiner Zeit eine proaktive Informationspolitik erkennen. Erst, als die Pläne geleaked wurden, druckste man zunächst herum und sah sich gezwungen, irgendwie Stellung zu beziehen. Einen Monat später dann die offizielle Bestätigung. Dann war wieder Stille angesagt – zwei Wochen lang auf allen Kanälen; völlig untergetaucht. Irgendwann ging die Tröpfeltaktik weiter, als van Damme der „Welt“ sagte, dass – ja irgendwie – dann doch alle DSL-Kunden kompromisslos spätestens 2018 von einer Drossel betroffen seien könnten.

    Die Telekom nimmt (auch, wenn immer wieder Marginalisierungsargumente vom Stapel gelassen werden) massiv Eingriff in das Netz – zumal als Marktführer. Es macht einigen Leuten Angst, ob begründet oder (aus eurer Sicht) unbegründet. Es ist eben eine große Sache. Daher lässt sich so etwas nicht per Pressemitteilung und FAQs auf versteckten Hintergrundseiten (telekom.com -> Medien -> Produkte für Privatkunden -> Medieninformationen) abfrühstücken.

    Ich bin nicht der Meinung, dass man jedem Troll antworten muss, um Gottes Willen! Aber es gibt abseits der Tiraden durchaus an anderen Stellen genügend sichtbaren Klärungsbedarf (http://goo.gl/o605J oder http://goo.gl/LLUex oder http://goo.gl/Sj9AU oder das, was der BREKO sagt).

    Ihr seid so gut in Kampagneninitiativen, warum gibt es keine gescheiten Infoseiten zu den Plänen, keine Tabs, keine erklärenden Videos? Warum zeigt ihr nicht, wie viel 75 GB sind? Wie finanziert sich eigentlich der Breitbandausbau in Deutschland? Was bedeutet es, wenn die Telekom weiter investiert? Wenn ich mehr Geld zahle, gibt es dann Garantien für schnelleres Internet? Was für Überlegungen gab es, bevor man den Entschluss fasste? „Managed Services“ – was kann da alles hinterstecken? Stattdessen sitzen die Kunden da und denken sich: Was kommt jetzt noch in Sachen „Weniger Leistung – mehr Geld“ bei der Telekom?

    Ich weiß, dass ihr einen guten Job machen könnt und wollt. Keine Ahnung, ob’s da Daumenschrauben der Analog-PR bei euch im Haus gab; die „versachlichende“ Kommunikationsstrategie (die bislang daraus bestand, per Radio, Brief oder im Interview zu kläffen und sich schnell zurückzuziehen) wirkte ja schon recht konzertiert. Wie oben gesagt: Ich find’s schade, dass es vorher keine Gespräch gab (offenbar ja weder mit der Politik, den Verbänden oder Netzvertretern) und die Sache jetzt einfach ausgesessen wird. „Für uns ist das Thema zu wichtig, als dass wir zurückzurudern könnten“, sagte van Damme. Offenbar aber nicht wichtig genug, um es gleich ehrlich und offen zu kommunizieren.

    Grüße ins Rheinland, meine alte Heimat. 😉

    André

  6. Mich hat die Telekom schon letztes Jahr, nach 15 JAHREN der Treue, endgültig verloren. Eben wegen dieser schon damaligen NICHT-Kommunikation und auch sonst der üblichen Verarschung.

    Mittlerweile sehe ich persönlich keinen Unterschied mehr zwischen Telekom, O2, Vodafone. Alles samt die gleiche Scheisse, welch endlich mal durch lokale bzw. Dezentrale Anbieter ersetzt werden sollte, langsam aber stetig eben.

    Meine Prognose bezüglich Telekom für die nächsten 5-10 Jahre ist, das die Telekom sich ihr eigenen Grab geschaufelt hat, langfristig gesehen.

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