Gestohlene Design-Ideen: Doku bietet Einblicke in den Apple-Braintank

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screen-capture-9Der Begriff des Genies kennt heute zwei Bedeutungen – eine alltägliche und eine etymologisch korrekte. Wenn wir heute von ‚Genie‘ sprechen, meinen wir meistens, dass ein Mensch überdurchschnittlich begabt und von überragender Intelligenz gekennzeichnet sei. Tatsächlich ist diese Semantik aber viel tiefer verwurzelt und reicht zurück bis in das 18. Jahrhundert, in die Zeit der Romantik, als Kant erklärte: „Darin ist jedermann einig, daß das Genie dem Nachahmungsgeiste gänzlich entgegen zu setzen sei.“

Ein Genie ist also in der Lage, einen Gedanken zu fassen, der zuvor ungedacht war. Er schafft aus dem Nichts etwas Neues (creatio ex nihilo) – eine Vorstellung, der wir heute nur noch in der Theologie begegnen. Alle Übrigen, seien es Künstler oder Wissenschaftler, bewegen sich in einem intertextuellen Kontext und führen praktisch nur das weiter, was andere bereits begonnen haben. „Romeo und Julia“ ist ein Remake von Ovids „Pyramus und Thisbe„, ohne die Maxwellschen Gleichungen hätte es die Relativitätstheorie nicht gegeben. So gesehen, ist der Genie-Begriff reichlich utopischer Natur.

Ich schicke diese kleine Definition nur voraus, um den Ausrufen zu begegnen, die einige angesichts von Produkten einer bestimmten Firma aus Cupertino, Kalifornien, immer wieder vom Stapel lassen: „Genial!“ Das Apple-Design ist in der Tat schön, inspirierend, manchmal umwerfend – doch es ist in keinem Fall originär.

Es dürfte sich herumgesprochen haben, dass Apples Senior Vice President of Industrial Design, Jonathan Ive, maßgeblich an der Entwicklung des iPod, des iPhone, iMac und der MacBooks beteiligt war. Das gilt sowohl für das Äußere, wie auch für die Gestaltung des Graphical User Interface. Ebenso bekannt dürfte sein, dass Ive seine Ideen aus einem riesigen Fundus schöpft, den Dieter Rams in den Sechzigern anhäufte. Er war bis 1995 Chefdesigner bei Braun.

Was ich nicht wusste, ist die schöne Tatsache, dass Rams sein Erbe bis heute nicht aus den Augen gelassen hat; so ist die kalifornische Klon-Therapie nicht unbemerkt an ihm vorbeigegangen. Heute ist ein neues Video aufgetaucht, das aus der Dokumentation Objectified stammt, die aktuelle Strömungen im heutigen Industriedesign unter die Lupe nimmt. Der Regisseur Gary Hustwit hat es dabei sogar geschafft, in den bislang ungezeigten Apple-Braintank zu steigen und einige Eindrücke von dort mitzubringen. Hier nun der Clip – in den ersten Sekunden ist Rams zu sehen, wie er ein Tremolo auf Apple hält, danach erläutert Ive, welche Gedankengänge hinter den einzelnen i-Entwicklungen stecken:

Im Folgenden noch einige Gegenüberstellungen von Braun- und Apple-Geräten.

design-apple-braun

Der iPhone-Calculator und der Taschenrechner von Braun:

iphone_braun

Der Ultrarot-Hyperthermie-Strahler von Braun und die iSight:

braun_isight

Die iPod-Evolution, hervorgehend aus dem Braun-Taschenradio T3:

rams-ipods

Die iPhone-Uhr und die Dezibel-Einstellung einer Stereoanlage von Braun:

rams-iphoneclock

Abschließend noch ein interessantes Interview mit Dieter Rams („Design hat nichts mit Mode zu tun!“), in dem er Ive für die Nachahmung dankt. Außerdem erfahren wir wiederum auch ein wenig über seine Vorbilder. Wenn eigene Entwürfe als Vorlage für andere Designer dienen – dann hat man es wohl geschafft:

5 Kommentar

  1. Naja, soo ähnlich sehen sich die Dinger von Braun und Apple nicht. Ich halte das für Zufall.

  2. Kann auch nicht ganz sagen das diese Beispiele absicht sein können. Aber ich selber kenn soetwas wenn man sich indirekt inspirieren lässt. Habe selber einmal ein Layout entworfen für eine Webseite und dann hörte ich: ah sieht ja aus wie XY, dabei war der Grundgedanke keinsterweise in die Richtung aber das Ergebniss kam schon so in der Art raus.

  3. Inzwischen hat auch Apples Chefdesigner Jonathan Ives, dem eigentlichen Genius Dieter Rams, seinen Respekt gezollt. Wurde auch Zeit, nachdem er es jahrelang bestritten hatte. 😉

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