Ah, die liebe bibliophile Nostalgie! Das Blättern von Seiten, der Geruch von Druckerschwärze, schöne Lesezeichen und die ständige Frage: „Wo habe ich es nur hingelegt?“ Richard Gutjahr hat diese Woche sein Twitter-Buch erhalten, ein Hardcover, welches das vergangene Jahr in rund 6.000 seiner Tweets Revue passieren lässt. Die Idee ist nicht neu – doch wenn man das Büchlein so vor sich liegen sieht, lässt sich eine gewisse Begeisterung nur schwer zurückhalten.
Man kann sich die Frage stellen, wie viel Sinn es macht, das Echtzeitnetz auf das ehrsame Weiß von Papier zu bannen, zumal wenn es sich um Tweets von Journalisten wie uns handelt, die hauptsächlich mit Links auf interessante Seiten um sich werfen. Doch hin und wieder gibt es auch private Momente und wie kommt man wieder an diese ran? Die Twitter-Suche reicht in der Praxis maximal zwei, vielleicht drei Tage zurück, alle übrigen Tweets scheinen unweigerlich verloren; sofern man nicht auf externe Dienste zurückgreift, die über die API das große Twitter-Archiv anzapfen. Oder man bestellt sich eben ein Buch seiner Tweets.
Weil mich das Thema neugierig machte, habe ich mich auf die Suche nach Start-Up-Verlagen gemacht, die darauf spezialisiert sind, die 140-Zeichen-Bücher anzubieten und ich habe eine ganze Reihe interessanter Projekte gefunden, die sich nicht nur im Aussehen, sondern auch im Preis unterscheiden.
1. Twournal
Gutjahr hat diesen Dienst gewählt. Twournal befindet sich derzeit in Private Beta, setzt also einen Invitation Code voraus, um sein Buch bestellen zu können. Pro Exemplar können 3.200 Tweets gedruckt werden, ebenso ist möglich, seine geposteten TwitPics (gegen Aufpreis) in Schwarzweiß oder Farbe mit aufnehmen zu lassen. Alternativ lässt sich ein kostenloses, rund 360 Seiten schweres PDF zum Mitnehmen generieren. Pro „Twournal“ berechnet das Unternehmen um die 35 US-Dollar, hinzu kommt das Porto, das derzeit bei knapp sieben Dollar liegt. Die Druck- und Lieferzeit beträgt fünf bis 15 Tage. Wer mag, kann sein Twitter-Buch auch im integrierten Shop anbieten und bei erfolgreichem Verkauf sein Honorar einstreichen.
Im Folgenden meine jüngsten 3.200 Tweets – schön verpackt als embeddable PDF (bitte Ladezeit einkalkulieren, die Datei ist 30 MB groß):
2. TweetNotebook
Eine schicke und auch günstigere Alternative bietet TweetNotebook.com. Das Prinzip ist ein wenig anders, hierbei handelt es sich in erster Linie um ein leeres Notizbuch, das jedoch mit eigenen Tweets verziert wird. Am Fuße jeder Seite stehen jeweils 140 Zeichen des Nutzers, die der Dienst als besonders lesenswert eingestuft hat. Ein TweetNotebook fasst so insgesamt 360 Seiten, der Besteller kann dabei zwischen drei Erscheinungsbildern der Buchdeckel wählen. Unschlagbar ist der Preis: gerade einmal zwölf Euro soll das Printerzeugnis kosten (plus Verpackung und Porto). Verschickt wird weltweit. Das Unternehmen, das hinter TweetNotebook steht, hat kürzlich übrigens auch denselben Dienst für Facebook-Statusupdates gestartet.
3. TweetBookz
Ein wenig mehr Extravaganz? Gerne. TweetBookz verkauft horizontale Twitter-Bücher, die neben den Texten auch etwas mehr für das Auge zu bieten haben: die 140-Zeichen-Pakete werden von verspielten Hintergründen (vier stehen zur Auswahl) eingerahmt. Insgesamt können 200 Tweets verarbeitet werden, wobei der Nutzer selbst entscheiden darf, welche Texte wirklich aufgenommen werden sollen. Als Druckoptionen bietet TweetBooks Harcover (25 Dollar) und Softcover (15 Euro) an. Verschickt wird weltweit, allerdings sollte darauf geachtet werden, dass die deutschen Umlaute in der Mühle der Konvertierung nicht abhanden kommen. Hier das Video eines begeisterten Bestellers, der wunderbar unverkrampft zeigt, wie ein frisch ausgepacktes TweetBook ein ohnehin gedoptes Ego noch weiter pushen kann:
4. TweetBook
Der wohl älteste Dienst am Markt ist TweetBook. Genaugenommen bietet die Seite keinen Druck-Service, kann aber unter Umständen ebenso hilfreich sein: sie erlaubt das Erstellen von kostenlosen Twitter-PDFs. Je nach Anzahl der eigenen Tweets dauert dies zwischen einer und zehn Minuten, am Ende kann die Datei heruntergeladen und gespeichert werden. Schön und gut, doch was nun? Es gibt nicht wenige (vor allem Amerikaner), denen die Individualisierungsmöglichkeiten bei den vorherigen Anbietern nicht weit genug gehen. Diese benutzen das PDF, um ihr komplett selbst gestaltetes Buch drucken zu lassen. Möglich ist das bei den Print-on-Demand-Anbietern wie Lulu (meine Empfehlung) oder BOD. Wer mag, kann über die genannten Plattformen sein Buch auch vermarkten lassen.
Das sind doch schon ein paar Optionen, oder? Derzeit lungern zudem weitere Dienste für den Twitter-Druck im Verborgenen, etwa Twiary, das schon in Kürze an den Start gehen soll. Na, dann wünsche ich allen Lesern viel Spaß bei der Bestellung. Hey, es ist das Jahr 2010 – niemals war es so einfach auf Partys das Sektglas zu schwenken, während man anderen davon erzählt, dass man ja jetzt auch „unter die Buchautoren“ gegangen sei. 🙂
2 Kommentar
Kommentare sind geschlossen.