Liebe Netzpolitikempörte: a.) geht wählen und b.) weiht Oma und Opa ein! (Infografik)

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Auf der gegenüberliegenden Seite von personellen und inhaltlichen Querelen der Politik steht das Wichtigste, das eine Bundestagswahl entscheidet: der Wähler. In diesem Jahr sind rund 62 Millionen Bürger aufgerufen, im September ihre Kreuzchen zu machen und wenn wir ganz viel Glück haben, halten sich auch einige daran. Doch zurück zum Thema: Im Zuge des #Neuland-Eklats hatte ich über das Politikversagen auf ganzer Linie geschrieben; darüber, dass Netzpolitik zwar ein registrierter Exot im Ressortmix der Bundesregierung ist, darüber hinaus (alleine schon aus Kompetenzgründen) jedoch stiefmütterlich, wenn nicht gar schädlich behandelt wird. Was ich aber im selben Zuge bemängelte, war die fehlende Lobbyarbeit durch die Befürworter des freien Internets, zeitgemäßer Gesetze und des allgemeinen digitalen Umschwungs.

Wer auf Twitter mahnend den Zeigfinger hebt, kann genauso gut sein Badezimmer mit Pamphleten zukleistern, wer sich auf Facebook empört, aktiviert lediglich die Spiegelneuronen seiner Gleichgesinnten. Die von euch vorangetriebene Netzpolitik schmort im eigenen Saft, es fehlt ein ganzheitlicher Ansatz, um auch Menschen abseits der Netze zu erreichen. Es fehlt das Werben für Verständnis, es fehlen die Aufklärung über die Bedeutung der Digitalisierung und das Aufzeigen der Zusammenhänge in der globalisierten Gesellschaft. Wer Ziel dieser Maßnahmen sein soll? Deine Oma und dein Opa. Und wenn Mama und Papa schon daneben auf der Couch sitzen – umso besser!

Spiegel online schrieb kürzlich treffend:

Facebook, Twitter, YouTube – Kanzlerin und Herausforderer geben sich im Wahlkampf gerne modern. Doch Angela Merkel und Peer Steinbrück wissen: Nicht die Jungen entscheiden die Wahl. Am Ende kommt es vor allem auf die Stimmen der Alten an.

So sieht’s aus. Um die Machtverhältnisse beim Wählervolk einmal zu verdeutlichen, habe ich unten einige 2009er und aktuelle Zahlen des Bundeswahlleiters visualisiert. Daraus lassen sich zwei Gebote ableiten: a.) Mein, Gott – geht bloß wählen! Und b.) weiht die Grauhaarigen in eure Überlegungen ein. Wie das aussehen kann? Du hast da bestimmt schon ein paar Ideen…

Erkläre, wie Wikipedia funktioniert und warum der Browser nicht das Internet ist. Verleih das Smartphone für eine Woche. Skype mit deiner Oma aus dem Urlaub. Zeig auf, warum Tante Emma gegen Jeff Bezos (Amazon) verloren hat und was das für den Einzelhandel bedeutet. Verblüffe mit dem Bildkontrast deines E-Readers. Klickt euch gemeinsam ein Fotobuch zusammen oder erstellt ein privates Flickr-Album für die Urlaubsfotos aus Bad Kreuznach. Mach klar, was eine konservative Handhabe im innovativen Zeitalter bedeutet: für die Wirtschaft, die Bildung, den Rechtsstaat, für deine Zukunft und für die Renten. Deine Kumpels wissen Bescheid, die brauchst du nicht mehr zu überzeugen. Die Zeit der gegenseitigen Unmutsbekundungen ist vorbei. Und ein wenig Zeit bis zum 22. September haben wir noch. Noch so gute Ideen zur Netzpolitik werden niemals den Weg in die Realpolitik schaffen, solange es eine so große Gruppe gibt, die ihr mit Gleichgültigkeit oder Vorurteilen gegenüber steht. Nehmt ihnen die Angst und gebt ihnen das Interesse. Viele Alte sind bereits fit und wissen, worum es geht. Aber lange noch nicht alle. Und genau da sollte man ansetzen.

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Teaserfoto: daveynin (CC BY 2.0)

5 Kommentar

  1. Schade, es fing gut an, aber ist dann nur zu plattem Wahlkampf gegen die CDU / CSU geworden. Mich hätten auch die Wählerzahlen der anderen Parteien interessiert, aber ich schätze die haben nicht ins Konzept gepasst.

    Außerdem ist für mich noch nicht klar, warum „konservativ“ gleich „böse, schlecht, verdammenswert etc.“ ist. Wobei es natürlich ne gewisse Ironie besitzt gegen das Konservative zu wettern und gleichzeitig die arme Tante Emma (= alter Wert aus vergangener Zeit) vor dem bösen Jeff Bezos (= innovatives Geschäftskonzept) schützen zu wollen. Mir is klar, dass 90% der Leute die den Beitrag lesen diese nicht hinterfragen werden und dir zustimmen. Denn auf dem Konservativen rumzuhacken is halt immer hip und da klickt man gern mal „like“. Mit Speck fängt man Mäuse und mit platten pseudorevolutionären Phrasen halt die unreflektierte Twitter-, Facebook- etc. Generation.

    Es hätte wirklich n guter Wahlapell oder für die Hippster n Wahlapple werden können, aber so ist es platte Werbung für gegen-die-CDU-wählen. Und das witzige ist, du erreichst damit die Leute die eh schon gegen die CDU wählen wollten und somit schaffst du genau das, was du anfänglich anprangerst, du „aktiviert lediglich die Spiegelneuronen deiner Gleichgesinnten“ (wirklich schöner Satz und klingt auch intelligent)

  2. Der Kritik von marKo schließe ich mich an.

    Nichts gegen eine klare Position des Autors, aber die hätte besser herausgearbeitet werden sollen, anstatt sie auf diese Weise in einen Wahlaufruf einzubetten.

    Da mit CDU und CSU konkrete Parteien genannt werden, die nach Auffassung des Autors schlechte Netzpolitik betreiben, wäre zudem ein Hinweis angebracht, welche Partei bei diesem Thema mehr zu bieten habe.

    Und: Was wäre denn gute Netzpolitik? „Deine Kumpels wissen Bescheid“ – na also das bezweifle ich!

    Mal nebenbei, was ist schlimmer: den Browser für das Internet zu halten oder nicht zu verstehen, welches Privileg demokratische Wahlen sind?

  3. Hallo ihr zwei, danke für eure Kommentare/Hinweise (und das auch noch bei dem Wetter! 🙂 ).

    Zur CDU-Kritikkritik:
    Ich habe nie wirklich einen Hehl daraus gemacht, dass ich die vergangene und aktuelle Arbeit der Bundesregierung in Sachen Netzpolitik für mehr als kritikwürdig halte: Ich halte sie für gescheitert. Die BRD hat im Vergleich mit den westlichen Ländern das wohl restriktivste Netz geschaffen (Vorratsdatenspeicherung, Bundestrojaner, Leistungsschutzgesetz…), klare Datenschutzgesetze wurden verpennt und damit Innovationen gehemmt (https://www.avatter.de/wordpress/2013/06/uber-den-neuland-streit-und-es-ist-doch-zum-kopfschutteln/). Und die CDU stellt nun einmal die Bundesregierung. Mir war es wichtig, das klare Gefälle in der Akzeptanz konservativer und freiheitlicher Netzpolitik darzustellen. Gerne hätte ich da z.B. auch die Altersverteilung bei den Piraten dargestellt – dem Bundeswahlleiter war die Erhebung dieser Zahlen jedoch offenbar nicht so wichtig. Es gibt lediglich eine Aufstellung nach Bundesländern (http://www.bundeswahlleiter.de/de/bundestagswahlen/BTW_BUND_09/veroeffentlichungen/repwstat_npd_piraten.pdf). Die CDU ist für mich der Stellvertreter der Bundesregierung. Die älteren Generationen haben diese Partei mehrheitlich gewählt.

    Zur Tante Emma:
    Ich habe die Tante Emma nicht in Schutz genommen, sondern als logisches Auslaufmodell beschrieben. Der Online-Handel (und nicht nur der) nimmt bekannterweise massiv Einfluss auf den lokalen Einzelhandel – ob das gut oder schlecht ist, sei erst einmal dahingestellt. Klar ist jedenfalls, dass ein konsequentes „Weiter so!“ bei Nichtbeachtung der Geschehnisse der Netzwirtschaft böse Folgen haben kann. Kurz: Damit man versteht, warum Tante-Emma-Läden, Buchhandlungen und kleine Elektrofachhändler nacheinander dichtmachen, muss man denen, die es noch nicht wissen, die Gegenseite zeigen. Das Netz nimmt Einfluss auf die globalisierte Wirtschaft und daher ist Netzpolitik wichtig. Selbst, wenn man nur offline einkauft, sollte man wissen und verstehen, was online geschieht. Und das sollte auch die Älteren betreffen, denn früher oder später äußert es sich auch in Veränderungen an der Straßenecke.

    Wie geht’s denn bitteschön richtig?
    Ich kenne die pauschale Antwort nicht und ich bin mir ziemlich sicher, dass keine Partei derzeit eine Antwort darauf weiß – nicht einmal die Piraten wüssten Lösungen, die sich derzeit harmonisch realpolitisch umsetzen lassen. Warum ist das so? – und damit komme ich zur eigentlichen Motivation des Posts: weil es der Mehrheit der Deutschen völlig egal ist. Weil sie nicht im Netz lebt, es nie gebraucht haben und mutmaßlich auch nie brauchen werden. Das Internet ist für sie ein Paralleluniversum, in dem der Enkel hin und wieder abtaucht, etwas nicht Greifbares.

    Deutsche Netzpolitik besteht heutzutage aus einer Reihe von Einzelmaßnahmen, die dann ergriffen werden, wenn es hier oder dort mal brennt. Es fehlt die Strategie, die Ernsthaftigkeit.

    Es gibt keine guten Ansätze der Netzpolitik, weil sie in Berlin (und bei der Mehrheit der Wähler) kaum Thema ist. Ich will aber dafür werben, dass sie einen ähnlichen Stellenwert wie Bildung, Wirtschaft, Sozialstaat, Umweltschutz bekommt. Erst, wenn die Leute anfangen, sich damit ernsthaft und konsequent zu beschäftigen, kann es auch Lösungen geben. „Deine Kumpels wissen Bescheid“ – das bezieht sich auf eben dieses Kapieren der Relevanz, das ich in weiten Teilen der Gesellschaft noch vermisse.

  4. Ich finde den Artikel von André Vatter gut und richtig und wichtig – gerade die Zahlen zur Altersverteilung sind ein Augenöffner.

    Zur Kritik am Konservativen-Bashing: Ich denke, hier ist ein wenig Zynismus angebracht. Es gibt erst mal „konservativ“ (im Sinn von „Werte bewahrend“ – was in vielerlei Hinsicht etwas Gutes sein kann; Beispiel Umweltschutz), und es gibt die CDU des Jahres 2013, die sich in ihrem arroganten, behäbigen Paternalismus allenfalls en detail von der SPD, Grünen und FDP unterscheidet (weswegen ich auch nie wieder eine dieser Parteien wählen werde). Ob Euro, Internet, Sicherheit, die Grundmelodie lautet: „Lasst uns mal machen, schlaft weiter, wir haben absolute Profis, die sich darum kümmern. Aber die Materie ist für euch Schäfchen doch etwas zu kompliziert.“

    Und sehr viele Leute wollen genau das hören. Weil alles andere Arbeit macht.

    Machen wir uns nichts vor: Ein Großteil des Bürgertums (soweit es das noch gibt) sitzt zunehmend nervös auf der Matratze, unter die man seine paar Wertsachen gestopft hat. Von allen Seiten droht Verrat, Veränderung, Verwirrung. Man hofft, der ganze Irrsinn geht vorbei. Dieser Hacker da in Moskau, was hat der mit mir zu tun? Ich muss meine Hypothek abbezahlen … So denken sie.

    Privatheit beziehungsweise deren Abschaffung durch systematische Schnüffelei ist wie Radioaktivität. Man redet sich den Mund fusselig, erklärt, dramatisiert. Deine grau gewordenen Eltern hören dir zu, weil sie höflich sind, aber sie sehen zum Fenster raus, und weil es da keine Mutanten oder Schlapphüte mit Notizblöcken zu sehen gibt, denken sie still: „Was will er denn? Es ist doch eigentlich alles in Ordnung.“ Diesen Satz höre ich immer wieder, und er macht mich wahnsinnig.

    Es wird sehr schwer werden, dagegen anzureden. Videos zum Beispiel wie das bekannte „Überwachungsstaat – Was ist das?“ helfen da auch bei nichttechnischen Gesprächspartnern.

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