User Experience Design für alle fünf Sinne

Bitte scrollen

Der Talk ist schon ein paar Monate alt, ich glaube, ich habe nur auf die richtige Gelegenheit gewartet, ihn zu verbloggen; und nachdem der jüngste Produktmarketing-Post mit knapp 200 Likes und über 800 +1 offenbar das Interesse der Leser geweckt hat, passt es ja ganz gut.

Jinsop Lee ist Produktdesigner, er selbst bevorzugt aber die Job-Bezeichnung „Multi-Sense Designer“ – und damit sind wir auch schon mitten im Thema. User Experience ist ein Terminus, der ursprünglich aus dem schnöden Webdesignumfeld der Neunziger Jahre stammt: Soll der „Jetzt kaufen!“-Button größer oder höher? Soll der Produkt-Zoom im selben Fenster oder nebenan geschehen? Die Jungs und Mädels der Branche haben im Laufe der vergangenen Jahre aus rein ästhetischen Konzepten elaborierte, hochkomplexe Erlebnispläne für Nutzer erschaffen. Und dafür können wir ihnen dankbar sein. Früher galt: „Jede Website sollte über eine ‚Hilfe‘-Seite verfügen!“ Heute gilt: „Jede Website, die über eine ‚Hilfe‘-Seite verfügt, ist ziemlicher Schrott, denn offenbar kommen die Nutzer ohne Anleitung nicht zurecht!“

Früher galt auch: „Bei Aufruf einer Website muss der komplette Inhalt sofort sichtbar sein!“ (Above the Fold). Neben Apple und Google setzen aber immer mehr Unternehmen auf die sogenannten One-Pager, Websites, auf denen der Content wie an einer Perlenschnur von oben nach unten abgefrühstückt wird. Warum? Weil es eine Reise für die Nutzer ist. Sie tauchen hinab in das Produkterlebnis, sind gefesselt, werden wie im Kino Zeuge von diesem oder jenem Feature und werden unweigerlich immer tiefer hineingezogen – nur, dass sie das Tempo des Filmes selbst bestimmen. Wenn das Produkt stimmt, ist dies jedes Mal ein verdammt guter Streifen (dabei ist der Parallax-Effekt schon einige Jahre alt…). Es geht um die Erlebnissteuerung, um das filigrane Konzertieren von auszulösenden Gefühlen im Nutzer. Es geht um positive Assoziationen, Spannung und Entspannung, um nicht wahrgenommene pädagogische Anleitung zur Produktentdeckung beim Scrollen.

Soviel nur zum Hintergrund der User Experience, die mittlerweile bei vielen Unternehmen den Sprung vom Display in alle Phasen der Produktentwicklung geschafft hat. Dazu zählt das gesamte Umfeld, angefangen von der Verpackung, der Einrichtung, dem Betrieb, über das freundliche Nachhaken, den Support bis hin zur noch freundlicheren Rechnungsstellung. Wer sich für sympathisches Unternehmensauftreten (und damit meine ich das erwartete Auftreten) interessiert, kann sich den Kundenzufriedenheitspost zu Gemüte führen, den ich vor einiger Zeit ins Netz gestellt hatte.

Kommen aber wir nun also zum Talk und sprechen uns in neun Minuten wieder:

Hammer, oder? So einfach und doch so schwer. Lees These ist so frappierend simpel, dass man sich nur an die Stirn klatschen kann. Wer mit einem Gegenstand umgeht, sieht ihn nicht nur, er fühlt und riecht ihn. Manchmal schmeckt er ihn. Wenn viele Wege nach Rom führen, gibt es zumindest fünf Verbindungskanäle ins Zentrum des Kundenhirns. Lees These wird natürlich heute in Ansätzen bereits umgesetzt: Kaufhausmusik, Duftmarketing usw. Aber ich bezweifle, dass viele Unternehmen versucht haben, wirklich alle Wahrnehmungsorgane zur gleichen Zeit anzusprechen.

Für alle, die es an ihren eigenen Produkten einmal testen wollen, habe ich im Folgenden den 5-Sinnes-Bogen kostenlos zum Download anzubieten:

Mich würden ein paar ausgefüllte Bögen interessieren…

2 Kommentar

  1. Hi Sebastian: Gutes Beispiel! Aus der Autoindustrie gibt es noch etwas Nettes: Warum gehen die Innenraumlichter bei einigen Wagen ganz langsam aus, wenn man sich hingesetzt und die Tür geschlossen hat? Weil hier Kino simuliert wird: Jetzt kann der Film losgehen…

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